Die Große Pyramide

des Königs Cheops in Giza

Cheopspyramide während der Lightshow

Die Große Pyramide des Königs Cheops, altägypt. Khufu, ist schon seit der Zeit der frühen Reisenden zentraler Gegenstand der Diskussion und Spekulation. Für kein anderes ägyptisches Bauwerk wurde auch nur annähernd ein solches Maß an Interesse entgegengebracht und für kein anderes Bauwerk existieren derart viele Thesen über Sinn und Bedeutung. Wenn man genau darüber nachdenkt und die anderen großen Pyramiden zum Vergleich heranzieht, wird man das nicht schlüssig erklären können. Als Einzelleistung des Königs betrachtet steht Cheops schon ein gutes Stück hinter seinem Vater Snofru zurück, der in seiner Regierungszeit drei große Pyramiden errichten ließ. Auch die Kunst perfekten Bauens ist ein direktes Erbe von Snofru, der dafür die Maßstäbe gesetzt hat. Daneben ist auch die benachbarte Pyramide des Chephren nur minimal kleiner als die seines Vaters Cheops, kann dagegen aber mit gewaltigen und wegweisenden Tempeln aufwarten. Den Zenit des Pyramidenbaus stellt nach den aktuellen Daten auch nicht Cheops sondern Snofru dar (Stadelmann, Giza, S. 259, unter Berücksichtigung aller Nebenanlagen.):

Snofru = 3.752.500 m3
Cheops = 2.700.000 m3
Chephren = 2.200.000 m3

Die extreme Sonderrolle, die immer wieder und seit zwei Jahrtausenden der Cheopspyramide zufällt, ist also nicht gerechtfertigt. Sie scheint vielmehr eine ganz eigene Tradition begründet zu haben, die einerseits auf den verwirrenden Bericht Herodots und andererseits auf das arabische Interesse im Mittelalter zurückgeht. Unter Weglassung aller seither vorgebrachten Erkenntnisse mag diese Kombination geradezu ein abendländisches Sinnbild für 1001 Nacht sein, das nichts anderes vermag als ständig und ohne Unterlaß neue Farben auf den für uns so faszinierenden alten Orient zu projezieren, der per Definition geradezu gehemeimnisvoll sein muß.

Diese Besprechung interessiert sich nicht sonderlich für die unüberschaubare Masse an Thesen und Spekulationen, von denen die meisten kaum einen zweiten Blick wert sind [ 1 ]. Sie richtet sich nach dem Befund. Dennoch ist sie natürlich die größte Pyramide und ein Meisterwerk in jeder Hinsicht, dessen herausragende Stellung in der Architektur Altägyptens auf keinen Fall gemindert werden soll, und die hier dementsprechend aufwendig besprochen wird.

Der Name

Der Name der Pyramide ist 3kh.t Khwfw, "Horizont des Cheops" [ 2 ]. Der Name konnte allerdings ebenso für die Pyramidenstadt stehen [ 3 ]. Eine identische Bezeichnung für Pyramide und Pyramidenstadt scheint im Alten Reich üblich gewesen zu sein [ 4 ]. Für die Pyramide selbst hingegen konnte offensichtlich die Bezeichung 3kh.t schon genügen [ 5 ].

Achet Chufu

Die meist gebrauchte Lesung "Horizont des Cheops" wurde aufbauend auf Battiscomb Gunn von J. Bennet angezweifelt und durch eine adjektivische Lesung ersetzt: "Khufu's pyramid which is at the place of sunrise and sunset" [ 6 ], was besonders auf die übliche Funktion des Horizontes als Ort des Sonnenauf- und Sonnenuntergangs Bezug nimmt und mit einigermaßen großer Sicherheit auf die besondere Rolle des Sonnenglaubens und damit auf die des Cheops verweist [ 7 ].

Der heute oft gebräuchliche Name "Große Pyramide", der in alle Sprachen Einzug gefunden hat, würde eher auf die benachbarte Pyramide des Königs Chephren namens Chc.f.Rc wr passen, die von Bennet als "Khafra's pyramid, the great" übersetzt wird [ 8 ].

Die Zuweisung

Die Zuweisung der Großen Pyramide an König Cheops, den zweiten König der 4. Dynastie, ist eine der sichersten des Alten Reiches überhaupt. Sie ergibt sich aus mehreren unterschiedlichen Arten von eindeutigen Hinweisen und Beweisen:

  1. Die antiken Autoren

    Die aus heutiger Sicht ursprünglichste Zuweisung der Großen Pyramide an König Cheops stammt aus der Feder des griechischen Geschichtsschreibers Herodot [ 9 ]. Schon Herodots Beschreibung ist trotz seiner allgemein akzeptierten Glaubwürdigkeit [ 10 ] ein Zeugnis des Vergessens. So bestimmt er die drei Pyramiden von Giza den richtigen Königen zuordnen kann, so durchwachsen ist seine Beschreibung bereits mit beleglosen Geschichten. Die berühmteste davon ist die des Despoten Cheops [ 11 ]. Dieses und z.B. das völlige Fehlen des Sphinx in dem Bericht haben die Auffassung genährt, daß Herodot Giza und die Pyramiden selbst gar nie gesehen hat [ 12 ].

    Was Herodot noch aus zuverlässigen und unzuverlässigen Quellen und in seiner typischen Weise kombiniert hat, war seinen Nachfolgern offenbar nicht mehr möglich. Diodor von Sizilien (1. Jh.v.Chr.) kann sich in seinem Werk nur noch auf das verlassen, was Herodot ihm vorgegeben hatte. Eigene Quellen - bestätigende oder widersprüchliche - scheint es keine mehr gegeben zu haben. Ebenso vermeldet Strabon bei seinem Besuch in Ägypten in den Jahren 24-20 v.Chr. zwar, daß er Zweifel an Herodots Bericht hegt, aber es bleibt ihm nichts als denselben für seine Darstellung ebenfalls heranzuziehen [ 13 ].

  2. Inschriften in und an der Pyramide

    An mehreren Stellen der Pyramide ist in der für Steinbruchmarken und Graffiti üblichen Kursivschrift der Name des Cheops in Ocker aufgepinselt [ 14 ]:

    I. In den sogenannten Entlastungskammern über der Königskammer (s.u.) entdeckte Howard Vyse 1837 durch gewaltsame Sprengungen eine Reihe von Inschriften, die von den Arbeitern des Cheops dort angebracht wurden [ 15 ]. Mehrere Punkte sprechen dafür, daß dies vor der Einbringung geschehen sein muß: Einmal stehen die Inschriften fast alle auf dem Kopf, d.h., in der Lage, in der die Blöcke transportiert und gelagert wurden [ 16 ]. Dann befinden sich unter den Graffiti Höhenlinien, Achsenmarkierungen und Richtungsangaben, die sonst keinen Sinn machen würden [ 17 ]. Der eindeutigste Beleg dafür, daß die Inschriften vor der Verlegung des Mauerwerks angebracht wurden, ergibt sich durch den Umstand, daß sie mehrfach hinter die Fugen verlegten Mauerwerks reichen [ 18 ]. Einige Inschriften reichen über mehrere Steine hinweg und sind dementsprechend nach der Verlegung angebracht worden.

    Graffiti aus den Entlastungskammern

    Verschiedene Graffiti aus den sogenannten Entlastungskammern, nach G.A. Reisner, Mycerinos, Pl. XII.

    Unter den Inschriften findet sich mehrfach der Name des Cheops - sowohl als Khufu als auch der Horusname Mdjedw (hier Mededu). Sinngemäß geben die Inschriften die Namen von Arbeitskolonnen wieder, wie sie im Alten Reich üblich gewesen sind [ 19 ]. Die Zusammenstellung der lesbaren Inschriften nach Alan Rowe lautet [ 20 ]:

    1. Raum 3, Westwand:
      The gang, The Horus Mededu-is-the-purifier-of-the-two-lands
    2. Raum 4, West- bis Südwand:
      The gang, The Horus Mededu-is-pure (or the purifier)
    3. Oberster Raum, Decke:
      The gang, Cheops-exites-love
    4. Raum 2, Westwand; Raum 3, Westwand; Raum 4, Westwand; Raum 4, Nordwand; Raum 5:
      The gang, The-white-crown-of Khnumkhufuw-is-powerful

    Entlastungskammern

    Verteilung der Graffiti in den sog. Entlastungskammern über der Königskammer

    Gegen die Echtheit der Inschriften wurden gelegentlich Einwände vorgebracht, und zwar dahingehend, daß der Name des Cheops statt mit Ch mit Re geschrieben und daher eine Fälschung wäre. Das entspricht nicht den Tatsachen, wie alle bisher veröffentlichten Fotos und Abschriften zeigen [ 21 ]. Aber allein der Umstand, daß ein "17. Mal der (Vieh-)Zählung" in den Inschriften vermerkt ist [ 22 ], genügt als Bestätigung für die Echtheit der Inschriften völlig, weil diese Art der Zählung 1837 noch völlig unbekannt war - so unbekannt wie Arbeiterkolonnen und deren Namen. Die Zählungs-Inschrift ist das älteste erhaltene Datum der Regierung des Cheops [ 23 ].

    II. Während seiner gewaltigen Arbeit zu den Besucherinschriften der Cheopspyramide entdeckte Georges Goyon auf einem Stein in der 4. Steinlage an der Westseite der Pyramide eine weitere Inschrift in Ocker (rouge) aus der Zeit des Königs Cheops [ 24 ]. Exakt handelt es sich dabei um den 71. Stein von der Ecke der Nordseite her gezählt. Wie schon in den Entlastungskammern befindet sich auch hier die Inschrift auf dem Kopf stehend und in kursiver Schrift, was eindeutig auf eine Steinbruchinschrift hinweist [ 25 ]. Diese Inschrift scheint sich auf einem Backing Stone zu befinden, denn Goyon vermerkt gesondert, daß sie für lange Zeit im Mauerwerk verborgen war.

    Graffiti auf einem Backing Stone

    III. Der englische Archäologe Leslie Grinsell konnte ebenfalls auf zahlreichen, heute freiliegenden Backing Stones der 5. und 6. Steinlage, und zwar an den Süd-, Ost- und Westseiten, Inschriften und Marken in Ocker und vereinzelt in schwarzer Farbe finden [ 26 ]. Darunter befindet sich neben horizontalen und vertikalen Linien, Maßlinien und Namen von Arbeitskolonnen in vier Fällen der Name des Cheops: zweimal Chnum-Chufu und zweimal Medjedw, der Horusname des Cheops [ 27 ].

    IV. Um den Verlauf des Aufwegs herum wurden an zwei Stellen reliefverzierte Fragmente von Kalksteinblöcken gefunden, was eine Bestätigung für Herodots Beschreibung eines reliefierten Aufwegs ist [ 28 ]. Sowohl die Fundlage als auch die Qualität und vertiefte Ausführung weisen auf die ursprüngliche sakrale Verwendung im Pyramidenbezirk hin. Zu den Inhalten gehören Szenen aus dem Sedfest, Porträts eiens Falken, Szenen mit verschiedenen Vögeln und Tieren (begleitet von Inschriften) und der Name der Pyramide des Cheops [ 29 ].

  3. Titel und Namen in der Nekropole

    Zahlreich sind die Titel der Arbeiter, Aufseher und Priester in der Nekropole der Cheopspyramide. Daraus soll nur eine Auswahl ohne weitere Besprechung der Ränge und Organisationen kurz vorgestellt werden. Da gibt es z.B. das Verwaltungsbüro imy-r3 niwt 3kht-Khwfw, den "Aufseher der königlichen Arbeiten", den "Direktor des Palastes des Sedfestivals", den "Aufseher der Felder" oder den "Aufseher der Milchherde an der Pyramide des Chufu" [ 30 ]. Wcbw-Priester der Pyramide 3kh.t Khwfw sind in drei unterschiedlichen Rängen bekannt. Noch in der 6. Dynastie entsteht mit "Priest of Khufu who presides over Akhet-Khufu" ein neuer Titel [ 31 ].

    Für die Zeitspanne von rund 70 Jahren, vom Tod des Cheops bis zum Ende der 4. Dynastie, sind 10 Priester des Cheops bekannt [ 32 ]. Insgesamt trifft man in dieser Zeit in Giza 66 Priester- und Beamtentitel mit dem Namen des Cheops (Die neueren Belege sind dabei noch nicht berücksichtigt.). Daß der Totenkult wie immer im Pyramidentempel stattfand, ergibt sich aus einer Schreibung des Cheops, die mit einer Statue determiniert ist [ 33 ]. In der 5. Dynastie steigt die Zahl der Totenpriester auf 28, in der 6. Dynastie noch auf 29. Mit einer Ausnahme aber verschwinden in der 6. Dynastie alle Verwaltungsämter der Pyramidenstadt [ 34 ]. Insgesamt sind 60 Domänen (Opferstiftungen) für Cheops belegt, die erst in der 6. Dynastie verschwinden [ 35 ].

  4. Wallfahrtsstätte und Tempel

    Im Ziegeltempel des Königs Amenophis II. aus dem Neuen Reich heißt es auf der monumentalen Sphinxstele, die Selim Hassan 1936 entdeckte [ 36 ]:

    "...er (Amenophis) hielt an dem Ruheplatz des Horus in 3kh.t. Dort verbrachte er eine kurze Zeit, indem er sich umwandte und den kunstvollen Bau dieses Ruheplatzes des Chnum-Chufu und des Chafra, der Seligen ansah. Da wünschte sich sein Herz, ihre Namen leben zu lassen..."

Damit ist Zuweisung der Großen Pyramide an Cheops zwar nur grob abgehandelt, aber trotzdem so eindeutig, daß nicht weiter darauf eingegangen werden muß. Die Ägyptologie selbst hat seit der Entdeckung der Graffiti in den Entlastungskammern keine Zweifel an der Zuordnung der Pyramide mehr gehabt [ 37 ]. Allein der letzte Beleg aus der Zeit Amenophis besticht so unmißverständlich, daß jeder weitere Versuch, die Pyramide als vorsintflutliches Werk zu deklarieren, nur noch durch Nichtbeachten gestraft werden kann.

Anmerkungen

[ 1 ] Die entscheidenden Widerlegungen der gängigsten Spekulationen findet man in aller Ausführlichkeit bei Lauer, Pyramiden, S. 165-236. (Auflösung der Abkürzungen und Literatur.)
[ 2 ] Wildung, Rolle ägyptischer Könige, S. 159.
[ 3 ] Helck, Bemerkungen, S. 93 & 107.
[ 4 ] Hawass, Funerary Establishment, pp. 348ff.
[ 5 ] z.B. im Papyrus Westcar, vgl. Wildung, op.cit., S. 159, Anm. 6.
[ 6 ] Bennet, Pyramid Names, p. 174-175.
[ 7 ] Für eine weitergehende Erläuterung der bedeutenden 3kh.t in den Pyramidentexten vgl. Allen, Reading a Pyramid, p. 27f.; Hawass, op.cit., pp. 424ff.
[ 8 ] Bennet, op.cit., p. 175.
[ 9 ] Herodot, Historien II, 124-125.
[ 10 ] Spiegelberg, Herodot, passim.
[ 11 ] Morenz, Traditionen um Cheops, passim.
[ 12 ] Stadelmann, Giza, S. 8.
[ 13 ] vgl. Schüssler, Pyramiden, S. 157.
[ 14 ] Für eine grundsätzliche Besprechung vgl. Haeny, Steinbruch- und Baumarken, S. 23-47.
[ 15 ] vgl. Lehner, Weltwunder, S. 50-53.
[ 16 ] Goyon, Cheops-Pyramide, S. 182.
[ 17 ] Lehner, op.cit., S. 53.
[ 18 ] Zu sehen bei Lehner, op.cit., S. 51, Abb. mitte-rechts. Vgl. auch Position Statement by Graham Hancock
[ 19 ] vgl. die Zusammenstellung bei Reisner, Mycerinos, pp. 273-277, Pl. XI-XII. & Siliotti, Pyramiden, S. 50, Abb. 50.
[ 20 ] Reisner, Mycerinos, p. 275.
[ 21 ] Kurze Diskussion bei Verner, Pyramiden, S. 498f. Die ganze Fälschungsgeschichte ist schon deswegen gänzlich hinfällig, weil der in den Entlastungskammern erscheinende Horusname des Cheops erst 1892 von Kurt Sethe, Der Lautwerth des Horusnamens des Königs Cheops, S. 52-56, als solcher erkannt wurde.
[ 22 ] Verner, op.cit., S. 232 & Siliotti, op.cit., S. 50, Abb. 50 unten.
[ 23 ] Im Ostfriedhof vor der Pyramide ist noch ein 12. Mal der Zählung belegt, Stadelmann, op.cit., S. 106.
[ 24 ] Goyon, Voyageurs, pp. XXVII, Pl. CLV, Divers 28. In Goyon, Cheops-Pyramide, S. 256, Anm. 266, wird die 15. Steinlage genannt.
[ 25 ] Goyon, Voyageurs, p. XXVII.
[ 26 ] Grinsell, Pyramids, p. 103.
[ 27 ] Für weitere Details vgl. Martin Stower's Forging the Pharao's Name unter "Other quarry marks on Khufu's pyramid".
[ 28 ] Hawass, op.cit., p. 130-132; Hassan, Giza X, pp. 20-24, Pl. 5-8, Fig. 3,4,7,8.
[ 29 ] Hawass, op.cit., pp. 131f.
[ 30 ] Hawass, Funerary Complexes, p. 242.
[ 31 ] ibd., p. 243.
[ 32 ] Wildung, op.cit., S. 155.
[ 33 ] ibd., S. 155 m. Anm. 5.
[ 34 ] ibd., S. 156.
[ 35 ] ibd., S. 158.
[ 36 ] ibd., S. 168.
[ 37 ] Lauer, op.cit., S. 72.

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