Der Sphinx von Giza II

Die Basis-Geologie von Giza

Die älteste Beschreibung der geologischen Zusammenhänge in Giza ist fast 2500 Jahre alt und stammt von dem griechischen Reisenden Herodot, der Ägypten im 5. Jahrhundert v.Chr. aufsuchte. Herodots Beschreibung ist - wie sonst auch - von peinlicher Genauigkeit und soll hier aufgrund seiner interessanten Beurteilung kurz zitiert werden (2. Buch, 10, 12):

Von diesem eben beschriebenen Land nun ist das meiste, so sagten die Priester und so schien es auch mir, für die Ägypter dazugewonnen. Was nämlich zwischen den genannten Höhenzügen liegt, von der Gegend oberhalb Memphis an, davon hatte ich den sicheren Eindruck, daß es einstmals ein Meerbusen war, gleich wie das Land um Ilion und wie Teuthrania und Ephesos und die Ebene des Mäander, um einmal dies Kleine mit Großem zu vergleichen...
Was also Ägypten betrifft, so schenke ich denen, die das sagen, Glauben und komme von mir aus durchaus zu der Meinung, daß dem so ist, wenn ich sehe, einmal daß Ägypten vorragt vor dem anschließenden Land, dann daß Muscheln zutage treten auf den Höhen und Salzausscheidungen aufblühen, die sogar die Pyramiden anfressen, und daß Sand allein im ägyptischen Gebirge oberhalb von Memphis auftritt;...

Herodots Beschreibung ist eine der ältesten Beschreibungen von Fossilien in der menschlichen Geschichte und seine Beurteilung bezüglich der geologischen Entwicklung gilt, von Schoch einmal abgesehen, auch noch heute in der modernen Geologie. Daß schon Herodot die Salzausscheidungen beobachten konnte, Schoch diese aber ablehnt, gehört eher zu den modernen Rätseln der Gegenwart und dürfte wenig mit Herodot selbst zu tun haben. Wenn Herodot dabei die Pyramiden erwähnt, liegt das daran, daß er den Sphinx nicht zu Gesicht bekam, denn dieser lag bis über den Kopf unter Sand begraben - wie auch sonst für längere Zeiten während der ägyptischen Geschichte.

Bei der Beobachtung Herodots handelt es sich um Nummuliten, münzengroße Einzeller, die man allenthalben auf der bis zu 40 Meter hohen Plattform findet, die das Gizaplateau bildet, und die man Mokattam nennt. Von Süden her ist die Mokattamformation von der obereozänen Maadiformation überlagert, die weichen sandig-tonigen Kalkstein und Mergel nach Norden und Osten hin ausbildet (Aigner, S. 377). In ihrem oberen Teil besteht die Maadiformation aus einigen Metern widerstandsfähiger dolomitischer Kalksteine (Ain Musa Bed).

Giza-Plateau

Das Gizaplateau von Nordost.
Nach Aigner, S. 377, Abb. 1.

Herodots Meerbusen, den es im Pliozän also tatsächlich gab, erstreckte sich entlang der Klifflinie des Mokattam - praktisch direkt bis vor den späteren Sphinx selbst. Damit liegt der Sphinx exakt in der Gegend, in der die Schichten nach Südosten hin einfallen und allein der unterste Teil des Sphinx besteht aus dem härteren Kalk des Mokattam, auf dem sich die späteren obereozänen Sedimente abgelagert haben (Aigner, S. 377). Damit war das Plateau von Giza Pliozän einmal eine Halbinsel, die in den Nilgolf hineinragte! An der Nordkante des Kliffs kann man noch heute "Brandungs-Hohlkehlen" sehen.

In den von den Brandungen geschützen Bereichen konnten sich Korallenstöcke entwickeln, auf die sich fossilreiche lagunäre Schichten aus Einschwemmungen vom Festland ablagerten, die eine Wechselfolge von Kalk und Mergel mit sich brachten, aus denen unser Sphinx besteht und die man noch heute sehr deutlich sehen kann (Aigner, S. 379f.).

Seit den letzten intensiven geologisch bildenden Einwirkungen auf dem Gizaplateau im Plio- und Pleistozän sind Abtragungsvorgänge die wichtigsten geologischen Faktoren in Giza. Diese bestehen - wie man an den pharaonischen Monumenten ebenfalls eindeutig nachzeichnen kann - aus Verwitterungen durch Wind, Temperaturwechsel und Salzausblühungen (Salzexfoliationen), was für diese Basis-Geologie typisch ist (Aigner, S. 381).

Thomas Aigner, Geologe an der University of Miami, Florida, der eine grundlegende Abhandlung zur Geologie von Giza verfaßt hat, führt auch die Verteilung der Pyramiden auf dem Plateau auf geologisch bedingte Faktoren zurück (Aigner, S. 381f.). Alle Pyramiden (auch in Abu Roash und Sakkara) finden sich auf festen Kalksteinplattformen, während die dazwischenliegenden Flächen häufig von tektonischen Mulden mit Lockersediment-Füllungen unterbrochen sind. Auf diesen hätte eine größere Pyramide natürlich keinen Bestand gehabt. Daneben kann auch nur ein solcher Kalksteinsattel das Material zum Bau der Pyramiden liefern - ein Argument, das bei der Orionthese völlig unter den Tisch gefallen ist, obwohl die Pyramiden (auch die von Abu Roash) woanders hätten gar nicht stehen können, auch nicht auf den Sand- und Schottermassen der Wadis, den Lagunenablagerungen im Südosten und den Sandwüstenflächen der Umgebung (Aigner, S. 382). Selbst die natürliche Sattelflanke, die von Nordwest nach Südost abfällt, wurde geschickt als Aufweg zur Chephrenpyramide genutzt.

Nun aber zurück zu unserem Sphinx. Neben den Steinbrüchen, die direkt in die Nummulitenbank greifen, haben die alten Ägypter beim Bau der Pyramiden gerne aus Kalk/Mergel-Wechselschichten gebrochen. Obwohl das Material dort von schlechter Qualität ist, ist es auf diese Weise doch erheblich leichter abzubauen (Aigner, S. 382f.). Die 1/2 bis 1 1/2 Meter dicken Kalkbänke ließen sich an den Mergelfugen leicht abbauen. Dabei entstanden "Pakete", die direkt als Bauelemente verwendet wurden, so daß Aigner sogar davon spricht, daß die Regelmäßigkeit der Wechselfolgen zu einer Normierung der Baueinheiten geführt hat (Aigner, S. 383): Ein Beweis für eine solche geologisch vorgezeichnete Abbautechnik findet sich in Form von identischen Abbaumarken sowohl an den Blöcken innerhalb von Tempelanlagen, als auch in den wieder freigelegten Steinbrüchen. Die in weichere Mergellagen vorgetriebenen Kerben dienten wohl zur Einbringung von Holzbalken, womit die Kalkblöcke, unter Umständen unterstützt durch Quellung des Holzes, herausgehebelt werden konnte. Diese Technik wurde nach Aussage von Steinbrucharbeitern auch noch bei uns bis vor dem 2. Weltkrieg in kleineren Abbaubetrieben angewandt. In exakt so einem Steinbruch steht der Sphinx!

Schichtenfolge

Schichtenfolge im Gestein des Sphinx
Blick von Osten. Nach Hawass & Lehner, p. 35.

Wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Geologie des Sphinx hat der Geologe Dr. K. Lal Gauri von der University of Louisville, Kentucky geleistet. Der Sphinx besteht danach in seiner untersten Lage aus widerstandsfähigen Korallen/Austern- Riff- und Riffschuttkalken (Schicht I), auf den sich die qualitativ schlechten lagunären Kalk/Mergel-Wechselfolgen erheben (Schicht II). Diese Schicht II wiederum kann ich sieben Kalk/Mergel-Schichten unterteilt werden, die allesamt gleich weich sind. Lediglich der Kopf besteht erneut aus hartem Kalkstein (Schicht III): ...hier wurden die Schichtfugen als Mund-, Nasen- und Augenpartie geschickt in die Gestaltung des Gesichts miteinbezogen (Aigner, S. 384; Hawass & Lehner, pp. 33ff.). Der Sphinx ist also ein "Sandwich" (Gauri bei Lehner), und es bedarf eigentlich keiner Mühe das zu erkennen (vgl. das Bild oben im 1. Teil)! Das Gestein der Schicht III ist heute allein noch im Kopf des Sphinx zu finden. Der ganze Rest wurde folglich in den Pyramiden verbaut (Jordan, p. 145).

Konsequenterweise ist aufgrund der erheblich unterschiedlichen Beschaffenheit der einzelnen Schichten die Schicht I und III in weit besserem Zustand als die Schicht II, die den Hauptteil des Rumpfes bildet (Hawass & Lehner, p. 33). Das zeigen auch die Werkzeugspuren an der untersten Schicht, über die sich die gewollten Ausmaße noch rekapitulieren lassen (ibd.). Der Hals selbst ist noch Teil der Schicht II und somit erheblich erodiert, weswegen zweifellos die Rückseite des Halses mit Zement stabilisiert wurde (ibd.).

Weitere sedimentologisch-paläontologische Untersuchungen haben gezeigt, daß die Profile, die den Körper des Sphinx auszeichnen, sich in verschiedenen Steinen der Tempel wiederfinden, teilweise über ganze Wände des Tempels hinweg (Aigner, S. 385). Die Stratigraphie des Sphinx ist teilweise invers zur Stratigraphie des Sphinxtempels. Damit ist sichergestellt, daß Sphinx, Sphinxtempel und auch Chephrens Taltempel das Ergebnis eines einzigen Bauprozesses sind (Aigner, S. 385).

Sphinx von Osten

Der Sphinx in Frontalansicht von Osten

Die Geologie des Sphinx führte aber schon im alten Ägypten zu bautechnischen Folgen. Die Proportionen des Körpers wurden im Maßstab 22:1 ausgeführt, während der Kopf sich auf 30:1 beschränkt (Lehner, Weltwunder, S. 127). Nun könnte man sagen, daß der Kopf im Verhältnis zum Rumpf zu klein ist. Aber das hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Von Osten her gesehen entsteht dieser Eindruck keineswegs! Lediglich von Norden her betrachtet stimmt das so. Die Frage ist dabei aufgetaucht, von wo aus man den Sphinx ursprünglich zu betrachten hatte (Hawass & Lehner, p. 37). Von Süden aus war der Sphinx nie zu sehen, da der ursprünglich überdachte Aufweg zur Chephrenpyramide den Blick versperrt hat (ibd.). Von Westen aus gibt es auch heute nichts zu sehen, da der Nemeskopfputz diesen Eindruck gar nicht zuläßt. Bleibt nur noch der Norden (Abbildung im 1. Teil). Hawass und Lehner meinen, daß die Allgemeinheit ohnehin nur von Osten blicken konnte, und daß auch die Priester selbst den Sphinx ausschließlich aus dem östlichen Sphinxtempel heraus gesehen haben werden. Im Norden lag der Friedhof der königlichen Verwandtschaft des Cheops und kein Aussichtspunkt (ibd.). Dieses Argument mag - was den Norden betrifft - nicht ganz durchschlagend sein. Die ganze sache löst sich aber auf, wenn man den Körper des Sphinx selbst näher betrachtet. Nicht der Kopf ist zu klein, sondern der Rumpf ist zu groß! Die Geologie hat gezeigt, daß es in den Schichten I und II gewaltige Risse im Gestein gibt, die sich sichtbar durch den Körper des Sphinx und unsichtbar unter der Oberfläche hinziehen (einige meinen, das seien geheimnisvolle Gänge;-). Einer dieser gewaltigen Risse zieht sich mitten durch den Rumpf des Sphinx selbst - durch den dünnsten Teil. Dieser schwere defekt hat sich den ägyptischen Arbeitern ja zeigen müssen. Diese erkannten daraufhin die unabsehbare Konsequenz: Rumpf, Hüften, Hinterpfoten und Schwanz ließen sich dort, wo sie eigentlich hingehören, nicht ausführen! Damit haben sie als einzig mögliche Lösung des Problems den Rumpf verlängert, und zwar nur verlängert, wie ein weiterer Blick von Osten her zeigt, denn der Rumpf ist allein zu lang, er ist definitiv nicht zu breit! Damit ist eindeutig gezeigt, daß der Kopf das Problem nicht sein kann!

Damit ist die Basis-Geologie des Sphinx ersteinmal ausführlich genug behandelt. Im 4. Teil werden wir auf den einen oder anderen Punkt noch eingehen müssen. Dort sollen dann die Argumente Schochs mit denen der anderen Geologen und Ägyptologen abgewogen werden.

Literatur
  1. Aigner, Thomas: Zur Geologie und Geoarchäologie des Pyramidenplateaus von Giza, Ägypten. in: Natur und Museum 112 (12), Frankfurt, 1982. S. 377-388.
  2. Hawass, Zahi & Mark Lehner: The Sphinx: Who built it and why? in: Archaeology, September/October, 1994. pp. 30-41.
  3. Herodot: Historien. Buch I-IV. Übersetzt von Walter Marg. München, 1991. Hier S. 125f.
  4. Jordan, Paul: Riddles of the Sphinx. New York, 1998.
  5. Lehner, Mark: The ARCE Sphinx Project. A Preliminary Report. in: ARCEN 12, 1980. S. 3-33.
  6. Lehner, Mark: Das erste Weltwunder. Die Geheimnisse der ägyptischen Pyramiden. Düsseldorf, 1997.
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