Im Gespräch mit
Dr. Jean-Philippe Lauer

Der "Großmeister der Pyramiden"

Jean-Philippe Lauer

Vor einigen Jahren traf ich in Sakkara Dr. Jean Philippe Lauer, den "Großmeister der Pyramiden". Ich lernte aber nicht nur einfach einen Ägyptologen kennen, sondern einen liebenswerten Menschen, der dort in der Wüste nicht einem Beruf nachgeht, sondern vielmehr einer Berufung!

1926 kam Jean-Philippe Lauer als junger Architekt nach Sakkara, um an einer 8-monatigen Kampagne unter Cecil M. Firth teilzunehmen. Schon in Firth's Veröffentlichung (The Step Pyramid, Cairo, 1935, p. VIII) erwähnt Quibell Lauer, der mehr Zeit als irgendjemand seit Imhotep selbst mit dem Studium der Stufenpyramide verbracht hat. An bedeutsamen Entdeckungen mangelte es nicht. Lauer selbst war z.B. der erste Forscher, der in Djosers Südgrab vordrang und die Reliefs dort vorfand (Firth war leider zu dick, um hindurchzukriechen ;-). Firth starb überaschend 1931. Und Quibell, der Firths Aufzeichnungen herausbrachte, starb noch vor dem Erscheinen des zweibändigen Werkes, das allein Lauers Zeichnungen verwendet. Faktisch leitete Lauer die Arbeiten schon vorher, denn Firth weilte zwischendurch in Nubien, um die dortigen Grabungen zu leiten.

Seit mehr als 70 Jahren ist also Lauer - nur durch äußere Umstände unterbrochen (2. Weltkrieg, etc.) - in Sakkara tätig. Ich denke, das ist einmalig in der ganzen Archäologie. Bis heute besteht eine seiner bedeutendsten Aufgaben darin, den Komplex des Königs Djoser zu rekonstruieren und wiederherzustellen, der etwa um 2720 v. Chr. datiert. Djosers Stufenmastaba und die dazugehörige Anlage gehört zu den bedeutendsten Denkmälern der Menschheit überhaupt. Innerhalb dieser Denkmäler nimmt Djosers Komplex eine geradezu unvergleichliche Bedeutung in der darstellenden Architektur ein, deren ältestes Zeugnis er ist. In der Entwicklung der ägyptischen Pyramiden ist Djosers Bauwerk der Markstein der Verbindung zwischen den königlichen Gräbern in Abydos und den echten Pyramiden der 4. Dynastie.

Der Baumeister dieser unvergleichlichen Anlage war der weise Imhotep, der auch der "Öffner des Steins" genannt wurde. Er war der erste "normale" Mensch Ägyptens, der sich in die Riege der Götter einreihte. Er war Arzt, Astronom, Priester in Heliopolis, Schreiber, Architekt und später eben Gott. Dr. Lauer ist bis heute auf der Suche nach dem Grab dieses erstaunlichen Ägypters.

Dr. Lauer nahm sich viel Zeit für uns. Aus der schwarzen Mappe, die er unter seinem Arm mit sich herumzutragen pflegt, packte er teilweise schon recht alte und vergilbte Fotos aus. Anhand dieser Fotos erzählte er von dem Tag an, als er die Pyramide zum ersten Mal sah. Damals war der ganze Komplex noch gänzlich unausgegraben. Schritt für Schritt erfuhren wir Details aus erster Hand, von der Rekonstruktion der einzelnen Bauteile und von der Entwicklung der Pyramidenform. Beinahe jede Phase der Arbeiten wußte er mit Bildmaterial zu unterlegen. Ohne Zweifel war das die beste Ägyptologische Führung, die man sich nur wünschen konnte.

Dr. Lauer zeigte sich äußerst interessiert an dem kleinen Reiseführer, den ich in Ägypten immer mit mir herumtrage. Es war und ist noch immer mein regelmäßiger Begleiter: Emma Brunner-Trauts "Ägypten" - Kunst- und Reiseführer. Dr. Lauer war darum bemüht, uns die Details der darin enthaltenen Zeichnungen zu beschreiben, und er erklärte die Dinge, die sich inzwischen geändert hatten.

Jean-Philippe Lauer, geb. am 07.02.1902 in Paris, starb im Alter von 99 Jahren am 15.05.2001 in Paris. Die Tageszeitung Libération nannte ihn im Nachruf "père" de la pyramide, Vater der Pyramide und schreibt, er habe praktisch bis zu seinem Tod an nichts anderem gearbeitet.

Dr. Lauer war Autor zahlreicher, für die Ägyptologie bedeutsamer Bücher und Artikel über das alte Ägypten und besonders über die Pyramiden und Sakkara. Ein vollständiges Literaturverzeichnis findet man in der ihm kürzlich gewidmeten Festschrift:

Études sur l'Ancien Empire et la nécropole de Saqqâra dédiées à Jean-Philippe Lauer, réunies par Catherine Berger et Bernard Mathieu, Montpellier, Université Paul Valéry, 1997, Orientalia Monspeliensia, 9; Centre d'Égyptologie François Daumas. Institut d'Égyptologie. 2 Vols. ISBN 2-84269-047-8, p. IX-XVIII.

Djoser-Pyramide

Sakkara, Grabbezirk des Djoser

Lauers eigener Bericht über all diese Jahre in Sakkara findet man in seinem Buch: Die Königsgräber von Memphis - Grabungen in Sakkara. Bergisch Gladbach, 1988; original: Saqqara - The Royal Cemeteries of Memphis. Excavations and Discoveries since 1850. London, 1976.

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