Buchbesprechungen

Audran Labrousse: Les pyramides des reines. Une nouvelle nécropole à saqqarâ. En collaboration avec Marc Albouy. 1999. Éditions Hazan.

ISBN 2-85025-684-6

Mal ganz ehrlich: Sie interessieren sich für die Pyramiden des Alten Reichs? Aber was wissen Sie über die Pyramide des Königs Pepi I. aus dem südlichen Sakkara zu berichten, in der immerhin erstmals die Pyramidentexte entdeckt wurden? Sehen Sie, so geht's mir auch! Zu einem guten Teil liegt das daran, daß wesentliche Erfolge bei den Grabungen erst in den letzten Jahren stattfanden. Diese Erfolge, eine große Anzahl von Königinnenpyramiden, gingen entsprechend durch die Weltpresse. Obwohl das Buch dieses Thema zum Gegenstand hat und erst 1999 erschien, ist es doch schon wieder "alt". Denn schon im darauf folgenden Jahr konnte eine weitere Pyramide einer Königin entdeckt werden, und wie ein Besuch des Grabungsplatzes 1999 zeigte, wird noch mit weiteren Entdeckungen zu rechnen sein. Aber auch das sollte Sie nicht vom Kauf dieses wunderbaren Buches abhalten!

Mit Audran Labrousse zeichnet nicht nur der Ausgräber der Pyramide selbst für das Buch verantwortlich, sondern auch einer der bedeutendsten Pyramidenkenner der Gegenwart. Seine akribische Arbeit in den letzten 20 Jahren in Sakkara führt gerade in den letzten Jahren zu einer Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen über die Pyramiden von Sakkara, die große Lücken füllen, die u.a. durch das vorzeitige Ende der Reihe von Maragioglio und Rinaldi enstanden sind. Dieses Buch aber richtet sich explizit an den allgemein interessierten Leser.

Im Vorwort berichtet Jean Leclant, der Leiter der Mission archéologique francaise de Saqqâra, vom Stand der Arbeiten. Eine allgemeine Einführung über die Nekropole von Sakkara eröffnet dann eine großartige grafische Parade, die Einblicke in die Welt des Alten Reiches gibt, wie man sie noch nie zuvor gesehen hat. In einem gesonderten Kapitel beschäftigt sich Labrousse mit der Flora und Fauna der ersten Dynastien. Und damit sind wir beim nächsten Punkt. Daß sich diese nämlich von der heutigen frapierend unterscheiden, ist bekannt. Aber die Umsetzung in bisher nie gekannte Computerrekonstruktionen, die zu einem nicht unerheblichen Teil über beide Seiten des ohnehin überformatigen Buches reichen, ist einzigartig. Die Pyramidenanlagen liegen mitten in grüner Steppe, und um sie herum erheben sich Laubbäume, von denen Giraffen nagen und an denen Antipolen vorbeiziehen. Selbst bis zum Horizont ist kein Sandkorn einer Wüste zu erkennen. Wohlgemerkt, das ist alles bekannt. Aber erstmals hat man hier das Gefühl, diese Szenerie für alle Zeiten verinnerlicht zu haben. Eine kurze Einführung über die Pyramiden des Alten Reiches zeigt, daß daneben auch das "übliche" Bildmaterial von feinster Qualität ist. Das betrifft auch das folgende Kapitel über die Geschichte der Erforschung der Pyramiden von Sakkara, in dem man uralte Aufnahmen in erstaunlicher, wahrscheinlich nachbearbeiteter Qualität finden kann. Die älteste zeigt Auguste Mariette im Alter von 30 Jahren, also 1851. Diese Geschichte ist detailliert geschrieben und unabhängig vom populärwissenschaftlichen Charakter des Buches von Wert - ebenso das Bildmaterial. Die Bilder und Objekte entstammen den letzten Grabungen und sind ansonsten noch unveröffentlicht. Ein weiteres Kapitel befaßt sich allein mit der modernen Technik, die heute vor Ort eingesetzt wird. Auch hier erfährt man - trotz aller Fachliteratur - noch Neuigkeiten: Sehr interessant! Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit den Computerrekonstruktionen selbst - und bringt eine weitere doppelseitige Abbildung einer solchen.

Der Hauptteil des Buches führt den Leser schließlich zum Pyramidenkomplex von Pepi I., und dabei zunächst zur Pyramide des Königs selbst. Querschnitte, Rekonstruktionen und zahlreiche Fotos dokumentieren die Pyramide praktisch vollständig und bis hin zu den Pyramidentexten, die hier besonders eindrucksvoll mit blauer Farbe bemalt sind. Nicht weniger beeindruckend ist der Pyramidentempel, eine schiere Orgie aus Rosengranit. Die Rekonstruktionen dieses Tempels umfassen auch Innenräume und führen in den Details bis zur Obstschale und am Boden kriechende Skorpione! Anhand einer geophysikalischen Karte wird die Lage des bis heute unausgegrabenen Taltempels vorgestellt. Der größte und letzte Teil wird dem Buchtitel gerecht und behandelt die Pyramiden der Königinnen. Auch das geschieht wiederum mit diesen herrlichen Computerrekonstruktionen, zahlreichen Fotos und Zeichungen, die wiederum durchweg Neues präsentieren.

Fazit: Ein ungewöhnliches Buch, und zwar im positiven Sinne! Die Pyramiden von Sakkara, und besonders jene aus dem Süden, zählt man oft nur mitleidig mit auf. Was der Archäologie dort geboten wird, ist kaum weniger als sensationell. Daß sich überhaupt ein Buch aufmacht, um dieses falsche Bild zu ändern, ist an sich schon bemerkenswert. Daß diese Aufgabe vom Ausgräber selbst übernommen wurde, ist allein Grund genug, sich dieses herrliche Buch zu besorgen. Die Bebilderung mit Fotos, Zeichungen und Computerrekonstruktionen ist von neuer Qualität, und daß ein nicht unerheblicher Teil der Bilder bisher unveröffentlicht ist, gibt dem Buch überhaupt eine besondere Stellung. Bliebe noch die französische Sprache, die sich bei uns keiner so besonderen Verbreitung erfreut. Lesern dieser Kategorie sei gesagt, daß das Buch auch als reines Bilderbuch sein Geld wert ist - es kostet nur rund 80,-DM! Eine deutsche Übersetzung ist - wie immer - nicht zu erwarten.

Audran Labrousse ist Archäologe, Architekt, Historiker und Director de recherches des CNRS und des IFAO und hat schon im Iran und Sudan gegraben. Er ist Autor zahlreicher Fachaufsätze und eines dreibändigen Werkes über die Architektur der Pyramiden in Sakkara. Ganz aktuell brachte er zusammen mit Jean-Philippe Lauer die vollständigen Ergebnisse der Grabungen im Pyramidenbezirk des Königs Userkaf heraus.

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