Die Rote Pyramide

des Königs Snofru in Dahschur-Nord

Die Arbeiter

Es ist ein immenser Vorteil Dahschurs, daß das Gelände weitläufig bebaut und praktisch überhaupt nicht überbaut ist [ 149 ]. Die künftigen Grabungen werden daher möglicherweise beträchtliche Aufschlüsse über die Versorgungsstrukturen an Pyramidenbaustellen liefern können. Aber schon jetzt, im frühen Stadium der Erforschung, übetrifft der Befund alle anderen königlichen Nekropolen deutlich.

Rund 250 m westlich der Pyramide wurde das sog. Arbeitshaus (DAM 3, [ 150 ]) untersucht, das schon auf dem Plan von Richard Lepsius verzeichnet war [ 151 ]. Die Umfassungsmauer des Gebäudes ist noch in bis zu drei Lagen Lehmziegeln nachweisbar, 2 Ellen stark und mißt 39 x 29 m. Das Arbeitshaus hat keine rechtwinkligen Ecken sondern bildet eher ein Parallelogramm. An der Südseite ist die Mauer 3 Ellen stark und setzt sich in östlicher und westlicher Richtung fugenlos fort. Demnach wurde das Arbeitshaus nachträglich an die schon bestehende Südmauer angesetzt, die sich auch 250 m weiter östlich nocheinmal nachwiesen ließ. Auf dem Plan von Lepsius führte sie auch westlich weiter, jedoch ist das ehemalige Militärgelände von schweren Kettenfahrzeugen stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Ihrer Anlage nach handelt es sich bei dieser Mauer um eine südliche Begrenzung des Pyramidenbezirks.

Arbeitshaus
Befund am Arbeitshaus.

An der Nordseite, unmittelbar an der Nordostecke, diente eine schmale Pforte mit Kalksteintürpfosten als Eingang. Im Westen des Gebäudes befanden sich Magazine. Aber sowohl diese als auch der offene Hof waren bedingt durch die geringe Mauerstärke wahrscheinlich nie gedeckt. Jedoch wurden große Mengen Holz- und Mattenteile gefunden, die auf eine temporäre Bedachung schließen lassen könnten [ 152 ]. Im Hof befindet sich ein großer runder Ofen mit etwa 2 Ellen Durchmesser und 1,20 m Tiefe, in dem sich größere Mengen Keramik aus der 4. Dynastie fanden, sowie weitere drei kleinere Öfen. Dagegen wurden keine Scheinopferschälchen gefunden, wie sie rund um die Pyramide herum in großer Anzahl aufzufinden waren. Eine Nachuntersuchung hat gezeigt, daß es sich hierbei um ein Gebäude handelt, in dem die tägliche Gebrauchskeramik und Werkzeuge hergestellt bzw. repariert wurden, und das nach der Fertigstellung der Pyramide wieder entfernt, bzw. eventuell sogar bewußt abgerissen wurde [ 153 ].

Zu den Funden im Arbeitshaus gehören auch zahlreiche Silexgeräte, Hammersteine, Schleifsteine, Bohrer und Bruchstücke von Kupferwerkzeugen sowie Klingen aus diesem Material, etc. [ 154 ]. Dieser Befund und weitere Beobachtungen weisen mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein Steinmetzatelier hin. Insgesamt wurden im Arbeitshaus 65 kg Steingeräte gefunden, worunter besonders ein 8,1 kg schwerer Hammer Erwähnung finden soll [ 155 ]. Dabei kann anhand der Form und der Gebrauchsspuren erstmals ein Werkzeug vorgestellt werden, mit dem die Kalk- und Sandsteinblöcke der Pyramide bearbeitet wurden, wofür auch die Fundorte an den einzelnen Baustellen sprechen [ 156 ]. Die Hartsteingeräte sind durchweg aus Dolerit. An Sandsteingeräten konnte auch Grünspan beobachtet werden, was darauf hinweisen könnte, daß es sich dabei um Werkzeuge zum Glatthämmern und improvisierten Kaltschmieden von Kupferwerkzeugen handelt [ 157 ].

Ein weiteres Gebäude, Rundgebäude B (DAM 4) genannt, befindet sich nördlich des Arbeitshauses und wurde ebenso schon von Lepsius verzeichnet. Dabei konnte eine Ziegelmauer mit 4 m Stärke ausgemacht werden, die möglicherweise mit Kalkstein verkleidet war. Auch hier wird von einem Arbeitshaus ausgegangen [ 158 ].

Eine größere Arbeitersiedlung befindet sich etwa 300 m südlich der Roten Pyramide (DAM 1)[ 159 ]. Ein westlicher und ein östlicher Gebäudeteil fallen jeweils in drei Räume. Die Siedlung mit den Maßen 80 x 160 m paßt sich dem Verlauf des Wadis an und ist nur aus Bruchsteinen schlecht errichtet, was eindeutig auf die temporäre Bedeutung hinweist. In der Nähe der Südostecke befindet sich eine runde Kalksteinsetzung, wobei es sich um eine Zisterne handelt [ 160 ]. In dem bisher freigelegten Areal fanden sich zahlreiche Feuerstellen mit viel Holzkohle. Die gefundene Keramik weist alle Charakteristiken einer Arbeitersiedlung auf: kalottenförmige Knickrandschalen, Vorratsgefäße aus Mergelton, vergleichsweise wenig Biertöpfe, Bottiche, Brotformen, Innenlippenschalen und rotpoliertes Geschirr aus Nilton. Das entspricht dem Befund einer weiteren Arbeitersiedlung Snofrus am Sadd el-Kafara. Eine weitere Siedlung dieser Art könnte sich weiter nördlich befinden.

Möglicherweise kennt man sogar den Bauleiter der Roten Pyramide. Es könnte sich dabei um Kanofer, einem älteren Sohn Snofrus handeln, der seine Mastaba südlich der Roten Pyramide hat [ 161 ]. Der nächste "älteste Sohn", der wahrscheinlich im Gegensatz zu Kanofer seinen Vater Snofru überlebt hat, war der nächste König über Ägypten - Cheops.

Die Nekropole

Die Nekropole von Dahschur kann neben Giza und Sakkara als bedeutendste Nekropole des Alten Reiches angesehen werden, die besonders aus der 4. und 12. Dynastie nicht nur zahlreiche Pyramiden sondern auch zahlreiche Mastabas aufweist [ 162 ]. Die Verteilung der Mastabas scheint einem durchdachten Muster zu folgen. Sowohl die Knickpyramide als auch die Rote Pyramide haben ihre Mastabas rund 900 m südöstlich der jeweiligen Pyramide [ 163 ]. Die Mastabas der Roten Pyramide sind fast schachbrettartig angelegt. Beginnend von Süden her liegen die größten Mastabas in der westlichen Reihe. Nach der Beendigung der Arbeiten an der Roten Pyramide selbst hat das Deutsche Archäologische Institut unter der Leitung von Stadelmann mit der Ausgrabung dieser Nekropole begonnen [ 164 ]. Weitere der Roten Pyramide zugehörige Mastabas finden sich im "Tal der Roten Pyramide" und südlich der späteren Pyramide von Sesostris III. Alles weitere bleibt im Moment noch den laufenden Grabungen überlassen [ 165 ].

Blick auf Dahschur-Nord
Blick vom sog. "Taltempel" der Knickpyramide auf die Rote Pyramide.

Von der Nekropole des Königs Snofru in Dahschur kann man sich heute nur noch (oder: bisher erst?) rudimentäre Vorstellungen machen. Allerdings muß sich ursprünglich ein imposanter Anblick geboten haben. Die Rote Pyramide befindet sich zwar weit in der westlichen Wüste, aber das Gelände dorthin steigt stetig an [ 166 ]. Auf halbem Weg dorthin befinden sich die Mastabas des Hofstaates, die aufgrund ihrer tieferen Lage den Blick auf die Pyramide nicht versperrten, aber trotzdem vom Fruchtland aus gut sichtbar waren. Weiterhin zeichnet sich ab, daß die größeren, der königlichen Familie angelegten Mastabas näher an der Pyramide liegen als jene mit geringerem Status. Daher mußte man einst vom Fruchtland aus über alle immer größer werdenden Mastabas hinweg den Blick auf die alles überragende, weiß glänzende Pyramide am Horizont werfen können.

Anmerkungen

[ 149 ]Stadelmann & Alexanian, Friedhöfe, S. 306, 315.
[ 150 ] Ich folge den neuen Einteilungen und Bezeichungen aus der Geländebegehung des DAI, Stadelmann & Alexanian, op.cit., S. 296. Danach ergibt sich: DAS=Dahschur-Süd, DAM=Dahschur-Mitte, DAN=Dahschur-Nord.
[ 151 ] Dazu und zu folgendem: 1. Vorbericht, S. 384f., Taf. 91-92; 2. Vorbericht, S. 228f., Abb. 2&3, Taf. 68; 3. Vorbericht, S, 263-267, Abb. 2&4, Taf. 53a.; Stadelmann & Alexanian, Die Friedhöfe, S. 306-309.
[ 152 ] Faltings, op.cit., S. 152.
[ 153 ] ibd., S. 151.
[ 154 ] ibd., S. 152, Eger, Steingeräte, S. 35-42.
[ 155 ] Eger, op.cit., S. 35.
[ 156 ] ibd., S. 37.
[ 157 ] ibd., S. 37-39.
[ 158 ] Stadelmann & Alexanian, op.cit., S. 308.
[ 159 ] Stadelmann, 3. Vorbericht, 291-294; Stadelmann & Alexanian, op.cit., S. 306ff.; Arnold, Überlegungen, S. 16, Abb. 1.
[ 160 ] vgl. auch Faltings, op.cit., S. 151.
[ 161 ] Stadelmann, Snofru und die Pyramiden, S. 442.
[ 162 ] Stadelmann & Alexanian, op.cit., S. 293f.
[ 163 ] ibd., 294. Faltpläne Abb. 1&2.
[ 164 ] ibd., 294; Stadelmann, 3. Vorbericht, S. 267ff.
[ 165 ] Eine Zusammenfassung des bisherigen Forschungsstandes mit der Literatur bei Stadelmann & Alexanian, op.cit., S. 314.
[ 166 ] ibd., S. 315-317.

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