Die Rote Pyramide

des Königs Snofru in Dahschur-Nord

Die Innenräume II

Die gegenüberliegenden Blöcke berühren sich in keinem Fall. Stattdessen sind die oft nicht rechtwinkligen Zwischenräume mit kleineren Pflasterblöcken verfüllt, die jeden beliebig vorgegebenen Winkel ausgleichen. Moderne Holzkonstruktion Alle Fugen, ob zwischen den Pflastersteine oder gegen die Wände hin, sind perfekt gearbeitet und weisen keinerlei Unregelmäßigkeiten auf, und das, obwohl sie von enormer Größe sind und kaum durch den Absteigenden Gang eingebracht werden konnten. Die perfekte Bearbeitung der Steine setzt sich auch unter dem Niveau des Pflasters fort, wie man an den verschiedenen Stellen sehen kann, die - i.d.R. durch Grabräuber - ihres Pflasters beraubt wurden. Die Fugen an den langen Seiten der Pflasterblöcke sind grundsätzlich genau im rechten Winkel zu den Ost- und Westseiten verlegt. Die Stärke der Pflastersteine variiert zwischen 47 und 55 cm. Diese wiederum waren auf einem Unterpflaster verlegt, das noch immer aus hochwertigem weißen Kalkstein hergestellt wurde, und das 65 bis 70 cm stark ist. Auch dieses Unterpflaster ist perfekt gearbeitet und führt schließlich als Fundament unter die Seitenwände der Kammern. Dieses Unterpflaster wurde wiederum auf mindestens einer Schicht gelben Kalksteins verlegt, welche aber nur noch an den horizontalen Seiten geglättet wurden. Im nördlichen Bereich des Raumes 3 konnten sogar zwei Gesteinslagen des Fundamentes nachgewiesen werden, wahrscheinlich sind es noch mehr. Bedingt durch das schon erwähnte Grabräuberloch sind im Horizontalen Gang insgesamt 1,30 tief Pflaster und Unterpflaster sichtbar. Die darunter folgenden Steine eines weiteren Fundaments konnten Maragioglio & Rinaldi nicht mehr vermessen.

Der hier betriebene Aufwand und die perfekte Umsetzung zeugt von enormen planerischen und handwerklichen Fähigkeiten, die bestenfalls in der Großen Pyramide ein weiteres Mal in diesem Maße erscheinen. Wenn man bedenkt, daß die Kammern ganz unten im Kernmauerwerk sitzen, und daß sie die ganze Gewalt des Gesteins, das bis 109 m darüber hinaufragt - trotz aller möglichen Setzungen des Untergrundes! - problemlos und fast sogar noch ganz ohne Risse mehr als 4700 Jahre überstanden haben, dann kann das nur noch äußerste Bewunderung hervorrufen [ 125 ].

In einer Höhe von 7,80 m in der Südwand von Raum 2 öffnet sich ein weiterer Durchgang, der schließlich zu Raum 3, der Grabkammer des Königs Snofru führt. Diese Höhe kann heute wird heute durch eine moderne Holztreppe erklommen. Dieser Durchgang ist 7,37 lang, 1,05 m breit und ursprünglich 1,05 m hoch [ 126 ]. Das Pflaster dieses Durchgangs ist heute vollständig entfernt, was 83 cm mehr Höhe einbringt. Dafür sind sicher Grabräuber verantwortlich [ 127 ]. Allerdings ist die originale Pflasterung noch deutlich an den Seitenwänden des Durchgangs zu erkennen. Die Höhe dieses Pflasters entspricht exakt der Höhe der unteren Reihe viereckiger Löcher in Raum 3 und 2 (vgl. o.). Da es sich bei Raum 1 zweifelsfrei um die Grabkammer Snofrus handelt (s.u.), möchte man an eine Konstruktion zur Einbringung des Begräbnisses denken. Dazu könnten auch zwei Löcher gehören, die sich an der Südwand von Raum 2 ganz in der Nähe des Durchgangs befinden. In jedem Fall aber wird aus diesem und praktisch auch aus allen anderen Befunden in Pyramiden der 4. Dynastie klar, daß die Anlage der Innenräume nicht praktischen Bedürfnissen diente. Enge Zugänge und meterhoch gelegene Durchgänge, selbst wenn diese möglicherweise über Holzkonstruktionen und Leitern zugänglich gemacht wurden, weisen eindeutig auf komplexe, bisher aber noch nicht durchgehend geklärte Überlegungen hin, welche für die Gestaltung der Architektur maßgebend sind [ 128 ].

Blick von oben auf Durchgang Zugang zur Grabkammer
Links: Blick von der modernen Holzkonstruktion auf die Nordwand von Raum 2. Rechts: Blick aus der Grabkammer (Raum 1) in den Durchgang. An der rechten Wand des Durchgangs kann man noch gut die Höhe des ursprünglichen Pflasters erkennen.

Raum 1, die Grabkammer, ist nun erstmals ostwestlich ausgerichtet. Damit wird dem scheinbar primären Anliegen der "echten" Pyramiden gefolgt, deren Bezirke dem Sonnenlauf folgen, während die Stufenpyramiden der 3. Dynastie nordsüdlich ausgerichtet waren [ 129 ]. Die Grabkammern der Pyramiden in Meidum und Dahschur-Süd, obwohl sie letztlich schon unter den unglücklichen Begriff der "echten" Pyramiden fallen, sind noch nordsüdlich ausgerichtet [ 130 ]. Im Gegensatz zu den tiefer gelegenen Räumen 2 und 3 wurde die Grabkammer vollständig im Kernmauerwerk errichtet [ 131 ]. Bis zu einer Höhe von 3,70 m erheben sich Nord- und Südwand vertikal, um danach mit 14 Rücksprüngen in einem noch gewaltigeren, 14,67 m hohen Kraggewölbe zu enden. In diesem Kraggewölbe gibt es keine Löcher und keine Spuren, die auf eine interne Holzkonstruktion schließen lassen [ 132 ]. Die Lage westlich der Pyramidenachse ist, wie schon die Ausrichtung, typisch für Grabkammern im ganzen Alten Reich. Leider ist diese Grabkammer, die sicher die herrlichste und erstaunlichste aller Pyramiden ist, erheblich beschädigt - wahrscheinlich durch Grabräuber [ 133 ]. Dabei wurde nicht nur das Pflaster der Grabkammer entfernt, sondern ein tiefes Loch kennzeichnet diesen Raum heute. Die Grabräuber scheinen sich sehr sicher gewesen zu sein, daß es sich hierbei um die Grabkammer handelt [ 134 ]. Maragioglio & Rinaldi schließen daraus weiter, daß hier ursprünglich kein Sarkophag stand, sondern vielmehr ein in das Pflaster eingelassener Grabschrein, der mit einer Platte möglicherweise auf Pflasterniveau, abgedeckt war (ähnlich Chephren). Die Grabräuber könnten sich daraufhin veranlaßt gesehen haben, etwaige Schätze ebenfalls unter dem Pflaster zu suchen, woraufhin das gewaltige Loch entstand [ 135 ]. Abdulsalam Hussein, der 1950 nie veröffentlichte Grabungen in der Pyramide vornahm, stieß offensichtlich noch auf eine Vermauerung aus Kalkstein, die wahrscheinlich aus einer ramessidischen Restaurierung stammte. Diese Blöcke und die aus dem Bodern der Grabkammer herausgerissenen Pflaster- und Fundamentsteine, sind heute ohne weitere Dokumentation für immer verloren. Damit bleiben wichtige Fragen, z.B. nach dem Sarkophag oder einem eingelassenen Grabschrein, ohne Antwort. Auch die exakte Überprüfung durch Stadelmann brachte keine weiteren Hinweise auf die Bestattung [ 136 ].

Kraggewölbe der Grabkammer Mit 14 Einsprüngen und einer Höhe von mehr als 14 m ist das Kraggewölbe der Grabkammer (Raum 1) das größte Kraggewölbe Ägyptens.

Dagegen hatte Abdulsalam Hussein in der Grabkammer offensichtlich gut erhaltetene Skelettreste gefunden, und die hat Dr. A. Batrawi untersucht und endlich auch veröffentlicht [ 137 ]. Zunächt gehören dazu Tierknochen, nämlich von einem Rind, wahrscheinlich einem großen Schaf, einem Kamel, einem Esel, einem Hund und einem weiteren Schaf [ 138 ]. Die menschlichen Funde bestehen aus dem unteren Teil eines Stirnknochens, einem kleinen Stück des Schädelbasisknochens, dem Fragment einer Schädeldecke, einem größeren Teil des Unterkieferknochens, der noch den größten Teil der Zähne trägt, dem größeren Teil eines linken Hüftknochens, einer rechten ersten und einer linken zweiten Rippe, einem linken Sprungbein mit Teilen des korrespondierenden Fersenbeins, einem Fingergelenk mit vertrockneten Hautresten, Fragmente dreier Wirbel, einem Teil eines Oberarmknochens, einem Fragment, das wahrscheinlich zu einem mittleren Oberarmnochen gehört, einem rechten mumifizierten Fuß, an dem der 4. und 5. Zeh einzeln bandagiert wurden.

Graben in der Grabkammer
Graben in der Grabkammer
Der ganze Boden der Grabkammer (Raum 1) ist heute herausgerissen und für immer verloren. Die Höhe des ursprünglichen Pflaster kann man an der Wand sehen (oberes Bild, rechter oberer Rand). Unten kann man die kleine Bresche sehen, die sich rechts in das Kernmauerwerk schiebt.

Batrawi schließt aus den menschlichen Funden, daß sie alle einem einzigen Mann gehört haben müssen, und daß es keinen guten Grund gibt darin nicht die sterblichen Überreste des Königs Snofru selbst zu sehen [ 139 ]! Wie er u.a. anhand der Zähne schließt, starb dieser Mann "past middle age", erlebte aber kein "very advanced age". Frontal Er war eher von kleinem Wuchs, jedoch von starker Konstitution [ 140 ]. Weitaus entscheidender aber ist, daß Einbalsamierung und Einwicklung der Mumie der Praxis des Alten Reiches entsprechen [ 141 ]! Weiterhin läßt sich durch die Schmauch- und Verbrennungsspuren folgern, daß die Grabräuber, die auch den Boden der Grabkammer ausgerissen haben, die Mumie vor Ort verbannt haben. Was diesem Feuer und der undokumentierten Räumung des Schutts noch alles zum Opfer fiel ist nicht mehr bestimmtbar. Desweiteren wäre es gut denkbar in den scheinbar behandelten Tierknochen - möglicherweise mit Ausnahme des Kamels - Reste der ursprünglichen Bestattung zu sehen [ 142 ]. Schließlich wäre es sogar denkbar, daß sich in dem ganzen Schutt, der sich noch hoch an der Nordseite der Pyramide auftürmt, und über den die Touristen heute zum Eingang emporklettern, noch Reste von Grabbeigaben, etc. finden lassen, denn der Haufen wurde modern vom SCA aufgeschüttet [ 143 ].

Obwohl bisher keinerlei moderne Untersuchungen an den Mumienfunden stattgefunden haben, sprechen alle Indizien - nicht nur die Skelettreste selbst betreffend - dafür, daß es sich um König Snofru handelt. Übereinstimmend wird praktisch von allen Ägyptologen die Rote Pyramide als Ort der Bestattung Snofrus gesehen; schon deshalb, weil die Chronologie der beschrifteten Blöcke beweist, daß es Snofrus letztes Werk ist. Auch der nachgewiesene Kult bis zum Ende des Alten Reiches (s.o.) spricht ganz eindeutig dafür - wenn man nicht unbegründet annehmen will, daß man in späteren Zeiten eine Mumie aus dem Alten Reich nachträglich eingegracht wurde. Da die moderne Anthropologie im Zeitalter der Gentechnik heute weitaus mehr zu leisten im Stande sind als noch vor 50 Jahren, wäre es sehr wünschenswert, wenn der letzte Beweis - insofern er überhaupt noch zu erbringen wäre - noch geführt wird.

Der große Graben in Raum 1 ermöglichte immerhin eine genaue architektonische Untersuchung [ 144 ]. Sowohl im Durchgang zur Grabkammer als auch in der Grabkammer selbst wurde das Pflaster erst nach der Errichtung der Wände verlegt. Auch hier wurde sogar das Unterpflaster mit sauber gearbeiteten Fugen verlegt. Erst das darunter liegende Mauerwerk wurde nur grob rechtwinklig gearbeitet. In einer Bresche, die vermutlich ebenfalls von Grabräubern in die Nordwand der Grabkammer geschlagen wurde, läßt sich erkennen, daß das Unterpflaster und das darunterliegende Mauerwerk unter den Kammerwänden hindurchlaufen. In dieser Bresche ist ebenfalls erkennbar, daß das Kernmauerwerk in unterschiedlich starken horizontalen Schichten verlegt wurde [ 145 ]. Manchmal wurden in einer Lage mit gleichbleibender Stärke an wichtigen Punkten zwei Blöcke übereinander verlegt. Da der große Graben trotz einer Tiefe von rund 4 Metern keinen Boden erreicht, und weil die Räume 2 und 3 auf oder nur knapp über dem Boden des Gebels liegen, kann mit Sicherheit gesagt werden, daß die Rote Pyramide nicht auf einem Felskern errichtet wurde [ 146 ].

Dorners Messungen haben gezeigt, daß südlich des Absteigenden Ganges alle Räume und Korridore im Ellenraster parallel zur Basis angelegt sind [ 147 ]. Die maximale Abweichung beträgt dabei 5 cm, und diese gehen lediglich zurück auf eine nicht ausreichende Abarbeitung der Innenecken. Daraus ergibt sich, daß Raum 3 5 Ellen von der Mitte nach Osten verschoben ist. Raum 2 befindet sich exakt unter beiden Achsen der Pyramide - ebenso der Durchgang zur Grabkammer. Diese peinlich genau eingehaltene Rasterung hat sicher gute, wenn auch noch unbekannte Gründe. Die Elle der Pyramide geht aus Dorners Messungen mit 52,41 cm hervor [ 148 ].

Anmerkungen

[ 102 ] Dorner, Messungen, S. 29.
[ 103 ] ibd., S. 27, MR III, p. 128, geben 3,81 m an.
[ 104 ] MR III, 128, Tav. 19, fig. 4-5.
[ 105 ] ibd., p. 136, Obs. 5.
[ 106 ] ibd., pp. 132, 136, Obs. 8.
[ 107 ] für die älteren Ergebnisse vgl. MR III, p. 128.
[ 108 ] Dorner, op.cit., S. 26, Tabelle 2 u. Abb. 2 & S. 27.
[ 109 ] MR III, p. 128.
[ 110 ] ibd., p. 128.
[ 111 ] ibd., p. 128, Tav. fig. 6-7.
[ 112 ] Wegen einer später geplanten Besprechung werden die Räume - wie es die Anordnungen der Pyramidentexte vorgeben - von der Grabkammer ausgehend nach außen hin durchnummeriert.
[ 113 ] Dorner, op.cit., S. 28, Tabelle 3 & Abb. 3, S. 29.
[ 114 ] Dorner, op.cit., S. 29; MR III, p. 136, Obs. 6 erwähnen nur einen feinen Riß an der Südwand von Raum 2.
[ 115 ] MR III, p. 128, Tav. 19, fig. 6.
[ 116 ] Stadelmann, Pyramiden, S. 85; Abitz, Grabräuberschächte.
[ 117 ] MR III, p. 128.
[ 118 ] ibd., p. 130, Tav. 19, fig. 1-2.
[ 119 ] ibd., p. 130.
[ 120 ] Stadelmann, Dreikammersystem, S. 380.
[ 121 ] MR III, 130, Tav. 19, fig. 1-2. Die Löcher in Raum 2 sind nicht im Text erwähnt.
[ 122 ] Lehner, Niches, S. 101-113.
[ 123 ] Kaiser, Zu den Königsgräbern der 1. Dynastie in Umm el-Qaab, S. 247-254, bes. S. 249ff.; Kaiser & Dreyer, Umm el-Qaab. 2. Vorbericht, S. 247ff.; Dreyer, Königsgrab U-j, S. 6ff.
[ 124 ] MR III, p. 130.
[ 125 ] Stadelmann, Pyramiden, S. 100, rechnet mit 10 m tiefen Ausschachtungen für die vorderen Kammern, so daß man sich ein gewaltiges Fundament darunter vorzustellen hätte. Allerdings geht er an dieser Stelle wie Maragioglio & Rinaldi (III, p. 130) von Perrings Vermessungen aus, die das Bodenniveau der Kammern auf der Höhe des nivellierten Gebels sehen. Dagegen gibt Dorner in seinen neuen Messungen davon aus, daß die unteren Kammern und Gänge ganze 3,15 m über dem Basisniveau gelegen haben (Dorner, Neue Messungen, S. 29). Wie es zu dieser erheblichen Diskrepanz kommt, ist leider nirgendwo ersichtlich!
[ 126 ] MR III, p. 130, Tav. 19, fig. 1-2.
[ 127 ] Stadelmann, 2. Vorbericht, S. 236.
[ 128 ] vgl. einstweilen O'Connor, The Interpretation of the Old Kingdom Pyramid Complex, S. 135-144.
[ 129 ] Arnold, Royal Cult Complexes, p. 45.
[ 130 ] Stadelmann, Pyramiden, S. 84f. und 90f.
[ 131 ] MR III, p. 130.
[ 132 ] Andererseits hat man sogar in der sehr gut untersuchten Grabkammer der Cheopspyramide bis neulich die an sich deutlichen Spuren an der Decke übersehen, vgl. Lehner, op.cit.
[ 133 ] Stadelmann, 2. Vorbericht, S. 236.
[ 134 ] MR III, p. 130.
[ 135 ] ibd., p. 132.
[ 136 ] Stadelmann, 2. Vorbericht, S. 236.
[ 137 ] A. Batrawi, Skeletal Remains, pp. 435-440, Pl. 1-2.
[ 138 ] Batrawi, op.cit., p. 437.
[ 139 ] ibd., p. 438.
[ 140 ] ibd., p. 438.
[ 141 ] ibd., p. 439.
[ 142 ] ibd., p. 439f. Allerdings wurden Kamelreste auch in den archaischen Gräbern von Helwan gefunden.
[ 143 ] Johnson, op.cit., p. 27.
[ 144 ] MR III, p. 132.
[ 145 ] Arnold, Building in Egypt, p. 177, Table 4.1, möchte sich dazu nicht festlegen.
[ 146 ] MR III, p. 134, Obs. 2.
[ 147 ] Dorner, Messungen, S. 27.
[ 148 ] ibd., S. 26.

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