Die Rote Pyramide

des Königs Snofru in Dahschur-Nord

Die Innenräume I

Innenräume

Der ursprüngliche Eingang in die Pyramide existiert bedingt durch den Abbruch der Verkleidung nicht mehr. Er befand sich nach den neuesten Messungen 30,92 m (=59 Ellen) hoch an der Nordseite der Pyramide [ 102 ]. Der Eingang ist 1,06-1,10 m breit und 1,31-1,36 m hoch. Wie häufig in der 4. Dynastie ist der Eingang von der Mitte der Pyramide aus nach Osten verschoben - um 4,09 m in unserem Fall [ 103 ]. Maragioglio & Rinaldi haben die Struktur des heute erhaltenen Einganges aufgenommen [ 104 ]. Danach wird der Eingang von einem mächtigen Architrav gedeckt, der wiederum auf beiden Seiten von je einem großen Kalksteinblock getragen wird. Über dem Architrav wurden zur Entlastung zwei große weiße Kalksteinblöcke eingebracht, von denen der untere schon mehr horizontal liegt und der obere fast ganz horizontal. Ein großer Block weißen Kalksteins, der sich mit dem Absteigenden Gang neigt, bildet auch das Unterpflaster. Das anschließende Kernmauerwerk wurde so verlegt, daß ein Verrutschen möglichst keine Folgen für den Eingang hat - trotzdem ist genau das nahe des Eingangs passiert [ 105 ]. Es gibt, wie schon in Meidum und dann in Dahschur-Süd (untere Räume) keine Blockierung an der Pyramide [ 106 ].

Eingang
Der Eingang in die Rote Pyramide nach MR III, Tav 19, fig. 5.

> Eingang heute
Der Eingang in die Pyramide heute. Über den hohen Schuttberg an der Nordseite führt ein Geländer über die Seitenfläche weiter. Die großen weißen Kalksteinblöcke stechen noch immer aus dem rötlichen Kernmauerwerk hervor.

Auch der Absteigende Gang wurde von Dorner neu vermessen (für die perfekte Nordung vgl. oben). Hier finden die sehr widersprüchlichen Angaben älterer Messungen teilweise eine Erklärung [ 107 ]. Weite Teile des Absteigenden Ganges haben sich demnach gesetzt [ 108 ]. Am unteren Ende des Ganges um etwa 20 cm. Sowohl Decke als auch Boden des Ganges hängen stellenweise deutlich durch, was Dorner auf enorme Setzungen zurückführt. Die Länge des Absteigenden Ganges rundet Dorner auf 106 Ellen, rekonstruiert wurden 55,67 m (=106,33 Ellen). Allerdings ist ersichtlich, daß Dorner den Konstruktionspunkt KM, der den Schnittpunkt zwischen Gang und Seitenfläche bildet, in der Annahme konstruiert, daß die Verkleidung das konkave Kernmauerwerk kompensiert hat. Dafür ist aber mindestens so wenig vorzubringen wie dagegen. Die Wände des Absteigenden Ganges wurden gründlich mit Meißeln geglättet [ 109 ]. Das Pflaster wird durch zwei übereinander liegende Reihen Platten gebildet, die teilweise unter die Seitenwände greifen.

Horizontaler Gang
Blick von Raum 3 durch den Horizontalen Gang auf das untere Ende des Absteigenden Ganges.

Die Blöcke der Seitenwände sind rechtwinklig zum Absteigenden Gang verfugt. Das mag zwar einfacher für den Gang gewesen sein, nicht aber für die Bindung an das Kernmauerwerk [ 110 ]. Im unteren Teil des Absteigenden Ganges sind die Blöcke so gearbeitet, daß sie sowohl in den abgewinkelten Bereich des Absteigenden Ganges als auch in den Horizontalen Gang greifen. Desweiteren sind von dort bis in den Horizontalen Gang hinein die Pflasterblöcke als U gearbeitet und bilden damit Boden und Seitenwände gleichzeitig. Das beugt ebenso gut gegen ein Verrutschen des Mauwerks vor, wie die Deckengestaltung dieses Bereichs durch spezielle Architrave [ 111 ].

Querschnitt oben1. Querschnitt unten2. Querschnitt HG3.
Querschnitte der Konstruktionstypen im Absteigenden und Horizontalen Gang. 1. Schnitt durch den obersten Bereich nahe des Eingangs. 2. Schnitt durch den untersten Bereich des Absteigenden Ganges. 3. Schnitt in der Mitte des Horizontalen Ganges. Nach MR III, Tav. 19, fig. 7.

Das untere Ende des Absteigenden Gang befindet sich 2,931 m über der Basiskante der Ostseite und geht in den 7,30 m (gemessen am Pflaster) langen Horizontalen Gang über. Die Fugen der Seitenwände sind jetzt vertikal. Nach den neuen Beobachtungen Dorners gibt es in den Innenräumen erhebliche Vertikalverschiebungen. So fällt das Niveau dieses Ganges bis zu Raum 3 [ 112 ] um 11 cm [ 113 ]. Bis zu Raum 2 steigt das Niveau wiederum um 4,5 cm an. Der obere, in Raum 1 führende Gang fällt nach Süden um 7,5 cm, während Raum 1 selbst im Westen Unterschiede bis 11 cm aufweist. Diese Setzungen haben merkwürdigerweise keinerlei Einfluß auf Wände und Decken gehabt [ 114 ]. Für Raum 2 und 3 wurde jeweils nur ein Punkt für die Messung des Niveaus bestimmt, so daß die Frage, ob die Räume in sich selbst Setzungen aufweisen, im Moment offensichtlich nicht beantwortet werden kann. Es wäre nämlich prinzipiell denkbar, daß die Änderung des Niveaus, wenn auch kaum sichtbar, durchaus angestrebt war. Es ist praktisch in allen Pyramiden der 4. Dynastie zu beobachten, daß die einzelnen Räume jeweils ein eigenes Niveau erhalten, für das man generell eher einen größeren Aufwand erwarten kann, und das wird kaum anders als durch ihre Funktion erklärt werden können.

Seitenansicht
Ansicht von Osten.

Der Horizontale Gang beginnt direkt nach dem Absteigenden Gang mit einem großen Loch in Pflaster und Fundament [ 115 ]. Mehrere Reihen des Unterpflasters oder des Fundaments sind zu erkennen. Allgemein wird immer wieder die Auffassung vertreten, daß es sich dabei um das Loch von Grabräubern handelt. Aber schon Maragioglio & Rinaldi haben auf ähnliche Befunde in anderen Pyramiden hingewiesen (Meidum & Dahschur-Süd). Genau mit der Cheopspyramide, die erstmals eine Felsenkammer aufweist, gibt es keine sogenannten "Grabräuberschächte" mehr, weshalb man nicht unbedingt an einen Zufall denken muß. Wichtig ist vielleicht ein Vergleich mit den Gräbern im Tal der Könige, die exakt an derselben Stelle den gleichen Befund aufweisen, und für die Friedrich Abitz eine sehr wertvolle und überraschende Lösung gefunden hat - nämlich dahingehend, daß diese "Grabräuberschächte" tatsächlich eine religiöse Funktion hatten [ 116 ]. Abitz' Ergebnisse wird man möglicherweise sogar recht gut auf den Befund der Pyramiden übertragen können. Für unser Loch kann sehr sicher gesagt werden, daß es mindestens nachträglich von Grabräubern erweitert wurde. Wie aus untenstehender Zeichung hervorgehen könnte, wären im Schacht aber geglättete Kanten denkbar, die sicher nicht von Grabräubern zu erwarten sind.

Querschnitt Eingang
Absteigender Gang, Horizontaler Gang und Grabräuberschacht nach MR III, Tav. 19, fig. 1. Rekonstruktion der Verkleidung nach Perring.

Querschnitt Eingang 2
Gegenüberliegende Seite (Ansicht von West) des Eingangs mit Details der Verfugung an den Seitenwänden. Nach MR III, Tav. 19, fig. 6.

Nach dem Horizontalen Gang betritt man die erste von drei gewaltigen "Hallen", die - wenn überhaupt - nur durch die Große Galerie der Cheopspyramide übertroffen werden. Über einer Grundfläche von 3,64 x 8,37 m erhebt sich in nordsüdlicher Ausrichtung ein gigantisches 12,31 m hohes Kraggewölbe, das nach der 5. Steinlage (in rund 3,57 m Höhe) an der Ost- und Westwand in elf Sprüngen einkragt, während die Nord- und Südwand senkrecht nach oben verlaufen.

Kraggewölbe Raum 3, Nordwand Detailausschnitt Kraggewölbe
Kraggewölbe in Raum 3, Nordwand und Detailausschnitt.
Die Verlegung der großen Steine erfolgte mit höchster Sorgfalt.

Der ganze Raum erscheint heute sehr dunkel (u.a. Ruß), aber ursprünglich hat der weiße Kalkstein sicher ein beeindruckendes Bild hervorgerufen. Der Übergang des Horizontalen Ganges in Raum 3 ist dabei so gestaltet, daß die Ostwand des Ganges direkt in die Ostwand des Raumes übergeht. Der Überhang jedes Einsprunges am Kraggewölbe beträgt etwa 15 cm. Maragioglio & Rinaldi haben den untersten Einsprung nachgemessen und auf 13-15 cm bestimmen können [ 117 ].

Raum 2 Kraggewölbe
Am Verlauf der Balken im Kraggewölbe von Raum 2 läßt sich erkennen, daß die Balken nicht ganz genau einer Linie folgen. Trotzdem sind die Abweichungen minimal.

Die Architrave an den Durchgängen der Nord- und Südseite des Raumes sind die einzigen Steine in diesen Reihen, d.h., sie sind monolithisch. Das Pflaster des Raumes ist fast auf der ganzen nördlichen Hälfte herausgerissen. Ebenso fehlt der Pflasterstein vor dem Durchgang an der Südseite. Die westliche Wandung des Durchgangs auf der Südseite bildet wiederum eine durchgehende Wand mit der Westseite von Raum 3, und er tritt ebenso mit dieser Eigenart in Raum 2, wie der Horizontale Gang in Raum 3 führt, nämlich mit einer durchgehenden Ostwand. Der Durchgang ist 3,18 m lang, 1,04 m breit und 1,30 hoch [ 118 ].

Verfugung der Wände, Raum 3
Verfugung der großen Platten an den Seitenwänden, Raum 3.

Der Durchgang führt direkt in Raum 2, der Raum 3 praktisch genau entspricht. Die Pflasterung von Raum 2 ist fast ganz erhalten. Perring hat die Lage des Raumes genau unter der NS- und OW-Achse der Pyramide bestimmt [ 119 ]. Das ist ein interessantes Feature, denn es entspricht offensichtlich einer Gesetzmäßigkeit der "echten" Pyramiden des Alten Reiches, daß die "Mittelkammer" wenigstens auf einer der beiden Pyramidenachsen liegt, bzw., daß ein Gangstück, das unmittelbar mit diesem Raum verbunden ist, eine der beiden oder beide Achsen oder eine Diagonale an markanter Stelle berührt [ 120 ].

Draufsicht Draufsicht der Pyramide. Die Anordnung der Räume folgt einem Rahmenplan, der die Mittelkammer (hier Raum 2) auf die Pyramidenachse rückt, während die Grabkammer (hier Raum 1) erstmals ostwestlich ausgerichtet ist. Ebenso ist als Bestandteil der Regeln der Eingang aus der NS-Achse nach Osten verschoben.

Die ersten beiden Räume, also Raum 3 & 2, weisen am Kraggewölbe, im fünften Einsprung vier bzw. drei viereckige Löcher auf. In Raum 3 befinden sich drei weitere Löcher im zweiten Einsprung [ 121 ]. Die Löcher verteilen sich gleichmäßig über die Länge des Raumes, so daß man an eine raumübergreifende Holzkonstruktion denken möchte. Dieser Gedanke gewinnt durch eine Beobachtung Mark Lehners gerade wieder neues Gewicht, denn die Einbringung von Holzrahmenwerken in die Räume der Pyramiden der 4. Dynastie läßt sich in vielen Fällen nachweisen [ 122 ] und vielleicht sogar schon erklären [ 123 ].

Raum 2, Nordwand

Details in Raum 2:

Oben: Oberster Teil des Kraggewölbes an der Nordseite.

Rechts: Oberster Teil des Kraggewölbes an der Südseite, direkt über dem Durchgang zur Grabkammer.

Raum 2, Südwand

Maragioglio & Rinaldi konnten noch weitere detallierte Beobachtungen machen [ 124 ]. In den bisher nicht beschriebenen Bereichen der Pflasterungen - vom unteren Ende des Absteigenden Ganges bis über die den Durchgang und die beiden Räume - gilt, daß die Pflasterung innerhalb der Seitenwände verlegt wurde. In den Durchgängen sind sie dabei immer so breit wie der Durchgang selbst. In den Räumen sind die Pflastersteine immer schmäler als die halbe Raumbreite. Sie liegen grundsätzlich mit den schmalen Seiten an der Ost- oder Westwand. Für jeden Pflasterstein an der Ostwand gibt es ein Pendant an der Westwand - und zwar genau acht Stück an jeder Seite.

Pflaster Raum 2
Lage des Pflasters in Raum 2.

Querschnitt Fundament Raum 2
Befund des Pflasters und Fundaments in Raum 3.

Anmerkungen

[ 102 ] Dorner, Messungen, S. 29.
[ 103 ] ibd., S. 27, MR III, p. 128, geben 3,81 m an.
[ 104 ] MR III, 128, Tav. 19, fig. 4-5.
[ 105 ] ibd., p. 136, Obs. 5.
[ 106 ] ibd., pp. 132, 136, Obs. 8.
[ 107 ] für die älteren Ergebnisse vgl. MR III, p. 128.
[ 108 ] Dorner, op.cit., S. 26, Tabelle 2 u. Abb. 2 & S. 27.
[ 109 ] MR III, p. 128.
[ 110 ] ibd., p. 128.
[ 111 ] ibd., p. 128, Tav. fig. 6-7.
[ 112 ] Wegen einer später geplanten Besprechung (Exkurs) werden die Räume - wie es die Anordnungen der Pyramidentexte vorgeben - von der Grabkammer ausgehend nach außen hin durchnummeriert.
[ 113 ] Dorner, op.cit., S. 28, Tabelle 3 & Abb. 3, S. 29.
[ 114 ] Dorner, op.cit., S. 29; MR III, p. 136, Obs. 6 erwähnen nur einen feinen Riß an der Südwand von Raum 2.
[ 115 ] MR III, p. 128, Tav. 19, fig. 6.
[ 116 ] Stadelmann, Pyramiden, S. 85; Abitz, Grabräuberschächte.
[ 117 ] MR III, p. 128.
[ 118 ] ibd., p. 130, Tav. 19, fig. 1-2.
[ 119 ] ibd., p. 130.
[ 120 ] Stadelmann, Dreikammersystem, S. 380.
[ 121 ] MR III, 130, Tav. 19, fig. 1-2. Die Löcher in Raum 2 sind nicht im Text erwähnt.
[ 122 ] Lehner, Niches, S. 101-113.
[ 123 ] Kaiser, Zu den Königsgräbern der 1. Dynastie in Umm el-Qaab, S. 247-254, bes. S. 249ff.; Kaiser & Dreyer, Umm el-Qaab. 2. Vorbericht, S. 247ff.; Dreyer, Königsgrab U-j, S. 6ff.
[ 124 ] MR III, p. 130.

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