Benben
Der heilige Stein von Heliopolis

benben-Hieroglyphen

Dort wo sich heute rigoros Kairo in den Nordosten erstreckt lag einst Iunu, eine heilige Stadt der alten Ägypter. In der Bibel nannte man sie On, aber am bekanntesten ist sie unter ihrem griechischen Namen Heliopolis. In diesem religiös sehr bedeutsamen Zentrum wurde schon früh ein heiliger Stein verehrt - der benben. Mit diesem Namen bezeichnet man die Spitzen der Pyramiden und die der Obelisken und er begründet noch Jahrtausende später die griechische Legende des Phönix, der aus der Asche des verbrannten Vaters entsteht und immer wiederkehrt.

Vom benben zu berichten ist keine einfache Sache. Das Fehlen einer Systematik, die eine begreifliche Trennung zwischen einzelnen symbolischen Aussagen zuläßt, hat in der Ägyptologie den Begriff der "multiplicity of approaches" begründet [ 1 ]. Im Bild des benben scheinen sich tatsächlich viele Assoziationen zu finden, die unserem Denken widersprechen. Der benben ist damit nicht nur ein Symbol für das alte Ägypten allein sondern gleichzeitig ein Symbol für die Annäherung des modernen Menschen an die Vorstellungswelt alter Kulturen generell - und damit natürlich ein Symbol für all die Schwierigkeiten, mit denen diese Annäherung ganz zwangsläufig verbunden ist.

Benben, eigentlich bnbn, da die Hieroglyphen nur Konsonaten berücksichtigen, ist sehr wahrscheinlich mit dem Verbum wbn verwandt, welches "aufgehen, glänzen" bedeutet [ 2 ]. Die Hinweise darauf werden sehr wahrscheinlich durch die schon früh belegten Wortspiele im Zusammenhang mit bnbn und wbn. Die bisher älteste Beschreibung des benben und seiner ikonographischen Funktion findet sich in den Pyramidentexten. In Pyr 1652 heißt es dazu:

    Atum-Chepre, du wurdest hoch als Hügel, du gingst auf (wbn) als benben im benben-Haus (hwt-bnw) in Heliopolis.

Atum-Chepre selbst wird dadurch mit dem Urhügel, dem Symbol der Weltschöpfung gleichgesetzt [ 3 ]. In Heliopolis ist ein solcher Hügel archäologisch nachgewiesen [ 4 ] und die Pianchi-Stele überliefert uns den Namen dieses Hügels als den "Hohen Sand in Heliopolis" [ 5 ]. Otto verweist zurecht darauf, daß es sich bei der Gleichsetzung zwischen benben und dem "Hohen Sand" um eine "lokale Variante" handeln wird [ 6 ]. Dies erhärtet sich dadurch, daß kein weiterer der belegten Urhügel, die traditionell wichtige religiöse Stätten markieren, mit dem benben gleichgesetzt wird.

Pepi Obelisken

Ein Obeliskenpaar im Bezirk der Königinnenpyramiden
des Königs Pepi I. in Sakkara-Süd aus der 6. Dynastie

Die Probleme der Deutungen treten mit dem Begriff bnbn.t auf. Mit der femininen Endung .t wandelt sich das Motiv radikal, denn aus dem maskulinen Urhügel wird stattdessen eine Bezeichnung für die Spitze des ägyptischen Obelisken und die Spitze ägyptischer Pyramiden, und zwar in Gestalt des Pyramidions. Im Zusammenhang mit den Obelisken, der mit tkhn eigentlich eine eigene Bezeichnung hat, verschiebt sich die Symbolik in Richtung Sonne und Himmelsaugen, und so bezieht man das paarweise Auftreten der Obelisken auf Sonne und Mond [ 7 ]. Dabei scheint es sich nicht um eine spätere Veränderung bzw. Abwandlung des dem Hügel zugehörigen benben zu handeln, denn die zwei bnbn.t treten schon in den Pyramidentexten (§1178) auf:

    ...for I am he who belongs to the two obelisks of Re which are on earth, and I belong to the two sphinxes of Re which are in the sky [ 8 ].

Nur in einem einzigen Fall wurde ein einzelner Obelisk errichtet, nämlich der von Thutmosis III., der größte, der je aufgestellt wurde [ 9 ]. Er befindet sich heute vor dem Lateran in Rom. Die Einzigartigkeit dieses Obelisken geht auch aus der Inschrift Thutmosis' IV. hervor, der den Obelisken seines Großvaters aufstellen ließ, nachdem er ihn nach eigenen Angaben 35 Jahre später südlich von Karnak gefunden hatte [ 10 ]. Der vorzeitige Tod Thutmosis' III. ist wahrscheinlich der einzige Grund für die Sonderstellung dieses Obelisken. Erwähnenswert ist dazu vielleicht aber noch, daß er auch eine ebenso einzigartige Verwendung gefunden hat. Er steht nicht, wie alle anderen Obelisken, vor einem Pylon, der einem Hof und einer Säulenhalle vorgelagert ist, sondern ausnahmsweise auf der Zentralachse des Tempels, dessen Ende er ganz im Osten bildet [ 11 ].

Amenophis IV, Echnaton, dessen Hinwendung zum Sonnengott einen tiefen Einschnitt der ägyptischen Religion bedeutete, wollte nach einer Inschrift auf einer Stele im Steinbruch von Silsile "einen großen Benbenstein" für ein Heiligtum in Karnak aus Sandstein errichten:

    ...to muster all the workmen from Elephantine to Samhudet, and the leaders of the army, in order to make a great breach for cutting out sandstone, in order to make the great sanctuary (bnbn) of Harakhte in his name: "Heat-Which-is-in-Aton", in Karnak [ 12 ].

Zu den älteren Hinweisen auf die Funktion des benben zählt noch §2069 der Pyramidentexte. Hier wird der benben zum Brotlaib, der im "Haus des Sokar" gedacht ist. Nicht leicht zu verstehen ist auch die Bezeichnung bnn.t für den Chonstempel in Karnak: "Dies konnte unter offenbarer Benutzung heliopolitanischer Namensbildungen desselben Wortstammes 'Stätte des Aufsteigens' bedeuten, ähnlich wie der heliopolitanische Name des Obelisken Benben, oder man verstand es als 'Samenkorn' im Sinne einer thebanischen Urstätte des Daseins" [ 13 ].

Userkafs Sonnenheiligtum

Das Sonnenheiligtum des Königs Neussere in Abu Gurob

Rekonstruktion

Neussere-Sonnenheiligtum: Rekonstruktion

De Buck sieht in Neusseres Sonnenheiligtum in Abu Gurob den Urhügel, der sich aus dem Urgewässer Nun erhebt. Das 30 m lange aus Lehmziegeln gemauerte Schiff fährt demnach auf diesem Urgewässer.[ 14 ]. So wahrscheinlich die Herleitung aus dem Urhügelprinzip auch sein mag, es gibt keine einzige Stelle, die Sonnenheiligtümer in den Kreis um den benben einbezieht. Urhügel und benben scheinen damit lediglich lokal auf Heliopolis begrenzt identisch zu sein. Stadelmann weist auch daraufhin, daß aus der Verwaltung der Sonnenheiligtümer keine Bezüge zu Heliopolis ableitbar sind. Vielmehr gibt es eine starke Verbindung zwischen dem Pyramidentempel und dem Sonnenheiligtum [ 15 ].

Wahrscheinlich als Teil des Tempels von Heliopolis ist das sog. "Benbenhaus" zu verstehen [ 16 ]. Schon die frühesten Schreibungen machen daraus das "Haus des Phönix" (bnw). Das Benbenhaus ist die Wohnstätte des Phönix [ 17 ]. Der Gott des Benbenhauses ist aber Re, und so wird der Phönix auch zum "ba des Re". Andererseits erhält er den Beinamen "der von selbst entstand", der ihn primär mit Atum, dem "Selbstentstandenen" identifiziert [ 18 ]. So undurchdringlich das auch erscheinen mag, einen Sinn kann man sich ganz gut hineindenken. Der bnw-Vogel, der in den Pyramidentexten (§1652) möglicherweise noch eine Bachstelze sein wird [ 19 ], wird ab dem Mittleren Reich zum Reiher, dessen Eigenart es ist, sich "auf den ersten Landestellen, die sich aus dem Überschwemmungswasser herausheben" aufzuhalten, "als Sinnbild der Landwerdung der Erde zu Urbeginn". [ 20 ]. Dieses Bild vom Werden der Welt dürfte das urspünglichste sein. Darin ist in unserem Spruch der Pyramidentexte Atum als dieser Hügel gedacht, der sich nach ägyptischer Lesart aus dem Urgewässer erhebt, und so wie Re seine ersten Strahlen auf dieses Land fallen läßt, so läßt sich zuerst der Reiher darauf nieder - eben als Ba des Sonnengottes [ 21 ]. Das ist genau jenes jährliche Ereignis, zu dem sich der Nil nach der Überschwemmung wieder zurückzieht - den fruchtbaren Schlamm zurücklassend, der Ägypten seinen Wohlstand sicherte.

Userkafs Nechen-Re

Das Sonnenheiligtum des Königs Userkaf
in Abu Gurob nach der Schreibung
auf einem Kalksteintäfelchen.

Phönix

Der sitzende Phönix.

Damit sind wir nochmal bei den Sonnenheiligtümern in Abu Gurob. Es ist aus zahlreichen Inschriften ableitbar, daß die Sonnenheiligtümer ursprünglich allein als Hügel geplant und errichtet wurden [ 22 ]. Das wird auch durch den archäologischen Befund am ältesten Sonnenheiligtum, dem des Königs Userkaf, deutlich [ 23 ]. Keine Auskunft kann der Befund allerdings über den geböschten Kern hinaus machen. Dem kann vielleicht ein Kalksteintäfelchen abhelfen, das möglicherweise die ursprünglichste Form des Sonnenheiligtums zeigt [ 24 ]. Statt dem Obelisken findet sich darauf ein hölzener Mast mit Querstück, der Ricke an eine "Krücke", eine sog. Jule erinnert, auf dem sich ein Vogel niederlassen soll [ 25 ]. Uns das ist genau jenes Bild, in dem man oft genug den benw-Reiher sehen kann [ 26 ], und das eine direkte Verbindung zu den oben beschriebenen Inhalten herstellt. Weiter verkompliziert wird die Deutung zunächst durch die Schreibungen mit einem Obelisken, der eine Sonnenscheibe trägt, bzw. durch einen Iwnw-Pfeiler mit einer Sonnenscheibe (oder auch ohne), bzw. mit einem Kreuz (Jule?) [ 27 ]. Damit besteht eine offensichtliche Trennung zwischen dem Symbol des Urhügels in Gestalt des sockelförmigen Körpers und andererseits dem Obelisken, dem Iwnw-Pfeiler und möglicherweise der Sitzstange für den Reiher, auf dem die Sonne in Gestalt des benw-Vogels so Platz nimmt, wie die Sonnenscheibe auf dem Obelisken und dem Pfeiler. Das ist nicht die Symbolik des Urhügels sondern die der Sonne beim bnw und die des Himmels beim Pfeiler und Obelisken. Diese Symbole scheinen weitgehend identisch und austauschbar zu sein [ 28 ]. Aber sie sind - um an den Einstieg anzuknüpfen - nicht zwangsläufig ohne System.

Hatschepsut-Obelisk von oben Hatschepsut-Obelisk
Spitze (von oben) und Seitenansicht des Obelisken
der Königin Hatschepsut in Karnak, 18. Dynastie.

Zwischen dem benben als Bild des Urhügels und dem bnbn.t als Bild des Himmels könnte sich schon durch die Geschlechter ein Gegensatzpaar widerspiegeln, wie es schon durch Geb (Gott der Erde) und Nut (Göttin des Himmels) oder die Begriffe t3 (Erde) und p.t (Himmel) vorgegeben ist [ 29 ]. Auch der Gott des memphitischen Urhügels, Tatenen, ist traditionell maskulin [ 30 ]. Über den ikonographischen Inhalt der bnbn.t können am besten die Obelisken und das Pyramidion Amenemhets III. und das von Chendjer Auskunft geben.

Luxor-Obelisk von Ramses II.

Der Obelisk Ramses' II. in Luxor, 19. Dynastie.

Zu den bisherigen Belegen über die himmlische Gestalt der Obelisken und ihrer Spitzen zählt noch eine Festellung Bonnets zu dem schon besprochenen Spruch 1178 aus den Pyramidentexten: "Reden doch schon die Pyramidentexte von einem himmlischen Gegenbild der Obelisken und sie bezeichnen es mit einem Namen, der gewiß nicht sicher deutbar ist, aber doch den gleichen Radikalbestand wie ein Wort für Licht aufweist: sshp."[ 31 ] Die bnbn.t-Spitzen der Obelisken waren traditionell mit Kupfer oder Bronze verkleidet [ 32 ]. Praktisch alle Metallarten tragen in ihrer Symbolik Assoziationen zum Himmel oder zu Göttinnen (!), die speziell mit dem Himmel verbunden sind. Der Glanz der Sonne selbst ist zu allen Zeiten golden [ 33 ]. Die ikonographische Funktion der Obelisken ist auch Thema der Widmungsinschrift auf dem Obelisken der Königin Hatschepsut in Karnak, wo es über diese heißt [ 34 ]:

    She made (them) as her monument for her father, Amon, lord of Thebes, presider over Karnak, making for him two great obelisks of enduring granite of the South, (their) summit[s] being of electrum of the best of every country, which are seen on both [sides] of the river. Their rays flood the Two Lands when the sun rises between them, as he dawns in the horizon of heaven.

Das ist freilich keine Beschreibung des Urhügels, aber das wird jetzt noch deutlicher, wenn wir auf das Pyramidion des Königs Chendjer aus der 13. Dynastie blicken, um damit zu den bnbn.t zu kommen, die auf den Pyramiden plaziert wurden. Chendjers Pyramidion zeigt die geflügelte Sonnenscheibe, und die Flügel, den Himmel nachbildend, bilden selbst eine Pyramide [ 35 ]. Hier findet sich eine Darstellung der Ereignisse am HImmel: Re-Harachte steht in der Morgenbarke und übergibt den Horus-Namen des Königs an Atum, der in der Abendbarke steht.

Chendjer-Pyramidion

Spitze des Pyramidions von König Chendjer, 13. Dynastie.

Die zweifellos beste Quelle zur ikonographischen Bestimmung der bnbn.t ist das Pyramidion Amenemhets III. aus Dahschur. Dazu trägt nicht nur eine weitere Flügelsonne an der Ostseite des Pyramidions bei. Wirklich aufschlußreich ist vielmehr der Text, der sich über alle vier Seiten erstreckt. Jeder einzelne Text wird einem Gott in den Mund gelegt, der mit einer bestimmten Himmelsrichtung in Verbindung steht, bzw. der diese Himmelsrichtung repräsentiert [ 36 ]:

    Ostseite - Gesprochen von Re-Harachte:

    Worte zu sprechen: Geöffnet werde das Gesicht des Königs von Ober- und Unterägypten, des Herrn der beiden Länder Nj-m3ct-Rc, damit er den Herrn des Horizontes sieht, wenn er den Himmel überquert. Er möge den Sohn des Re Amenemhet erscheinen lassen als ein Gott, Herr der Ewigkeit, der nicht untergeht. Wort zu sprechen durch den Re: Hiermit gebe ich Herrliches und Schönes dem "Die beiden Herrinnen: Der das Erbe der beiden Länder ergreift". Ich bin damit zufrieden, Du den ich liebe. Worte zu sprechen durch den Horizontischen: Ich bin damit zufrieden, Du den ich liebe.

    Unter der Flügelsonne "sehen" die Augen des Königs die "Schönheit des Re": "Sohn des Re Amenemhet dem Leben gegeben ist ewiglich, König von Ober- und Unterägypten Nj-m3ct-Rc dem Leben gegeben ist ewiglich".

    Westseite - Gesprochen von Anubis:

    Worte zu sprechen: Die beiden Arme des Imiut-auf-seinem-Berg sind hinter dem König von Ober- und Unterägypten, dem Herrn des Dinge Tuns Nj-m3ct-Rc der sich vereinigt mit der Nekropole des Westens im Innern des Heiligtums des Herrn des Opfers und der vollendet in ihr ist. Sie möge ihn zum Erben machen als Herrn der Ewigkeit und Dauer.

    Worte zu sprechen durch den Imiut: Hiermit gebe ich jeden schönen, reinen und trefflichen Ort des schönen Westens dem König von Ober- und Unterägypten, dem Herrn der beiden Länder Nj-m3ct-Rc. Ich habe ihn ausgestattet. Ich bin mit dem zufrieden. Worte zu sprechen durch den schönen Westen: Ich bin damit zufrieden.

    Nordseite - Gesprochen von Neith:

    Worte zu sprechen: Höher ist der Ba des Königs von Ober- und Unterägypten als die Höhe des Orion und er berührt die Unterwelt. Re hat seinen leiblichen Sohn des Re festgesetzt: Amenemhet an der Spitze des nördlichen Sternenheeres. Neith ist zufrieden damit.

    Der lebende Horus: Groß an Baw, die beiden Herrinnen: Der das Erbe der beiden Länder ergreift, Goldhorus: Dauernd an Leben, Sohn des Amenemhet dem Leben gegeben ist wie Re ewiglich. Der lebende Horus: Groß an Baw, die beiden Herrinnen: Der das Erbe der beiden Länder ergreift, Goldhorus: Dauernd an Leben, König von Ober- und Unterägypten, Nj-m3ct-Rc dem Leben gegeben ist wie Re ewiglich.

    Südseite - Gesprochen von Ptah und Sokar-Osiris:

    (Worte zu sprechen: Geb, der Herr der Länder) ist unter den Rippen, Osiris der Herr von Abydos unter den Füßen des Herrn der beiden Länder und des Dinge Tuns, seines leiblichen Sohnes Re Amenemhet, geliebt von Ptah südlich seiner Mauer, dem Herrn des Lebens der beiden Länder... Worte zu sprechen durch Ptah: Hiermit gebe ich alles Leben, Dauer und Glück dem vollendeten Gott, Goldhorus: Dauernd an Leben, Nj-m3ct-Rc. Worte zu sprechen durch Sokar, Osiris, Herr des Lebens der Götter, des Herrn des...

Die ganze Komposition dieses Pyramidions und seiner Texte führt die Deutung in eine andere Richtung. Nicht der Urhügel, nicht die Schöpfung aus heliopolitanischer Sicht, wie sie der einleitende Pyramidentext anhand des benbens erzählt, sind hier das Thema, sondern der Himmel mit seinen vier Richtungen. Im Osten ist es der Horizont, der den Hintergrund der Szene bildet, im Westen stellt man sich die Nekropole vor, im Norden ist nicht nur die Göttin Neith in Sais ansässig, sondern gleichzeitig die Dat am nördlichen Sternenhimmel, im Süden liegt Abydos.

Ihre inhaltliche und ikonographische Verwandtschaft zu den bnbn.t-Spitzen der Obelisken beweisen die Pyramidien auch durch einige Hinweise bzw. Nachweise, nach denen sie vergoldet waren [ 37 ]. So heißt es z.B. bei Sahure:

    "...(bringing?) the pyramidion (bnbn.t) (covered with) fine gold to the pyramid 'The soul of Sahure rises in glory' by both ship crews."

Wie die Vergoldung mit der Beschriftung der Steine in Einklang zu bringen ist, scheint nicht klar. Alternativ könnten die vergoldeten Pyramidien auch Inschriften auf dem Gold getragen haben. Das Pyramidion Amenemhets III. z.B. war sicher nicht vergoldet - der Stein ist spiegelglatt gearbeitet [ 38 ].

Dahschur-Pyramidion

Das älteste erhaltene Pyramidion Ägyptens.
Rote Pyramide des Königs Snofru in Dahschur,
4. Dynastie.

Bnbn und bnbn.t scheinen ein Gegensatzpaar zu bilden, wie es schon durch die Bezeichnungen für Himmel und Erde vorgeben ist, und woran sich die heliopolitanische Darstellungsweise orientiert. Wie Otto sicher richtig anführt, handelt es sich bei dem bnbn lediglich um eine lokale Variante des Urhügelgedankens. Obwohl die Sonnenheiligtümer dasselbe Prinzip widerspiegeln, findet die heliopolitanische Lesart keinen Einzug. Im Gegenteil! Der Name des ältesten Sonnenheiligtums, das des Königs Userkaf, Nchn-Re, verweist eindeutig auf die Stadt Nechen, griechisch Hierakonpolis [ 39 ]. Dieses uralte Zentrum des Königtums hatte selbst ein Urhügelheiligtum von immenser Bedeutung mit den Sonnenheilgtümern nicht unähnlicher Gestalt - ein künstlich aufgeschütteter Hügel von einer Umfassungsmauer umgeben [ 40 ]. Anders ist das Bild mit bnbn.t. Als Pyramidion und als Obeliskenspitze bleibt die Bezeichnung für Pyramidien und Obeliskenspitzen gültig. Trotzdem wird sie nicht sonderlich oft angeführt, was ebenfalls auf eine ursprünglich heliopolitanische Begrenzung hinweist. Trotzdem: das Bild vom Urhügel, der aus dem Urgwässer auftaucht, das Bild der Sonne, die mit ihren ersten Strahlen den Himmel (bnbn.t) und jenen Hügel (bnbn) erleuchtet, ist allgegenwärtig in der ägyptischen Religion und in der diese Religion in Bauformen umsetzenden Architektur.

Amarna Tempel 1 Meryra 2 Pyramidentexte 3

Eine Einteilung der benben-Traditionen in "rounded-topped" und "pointed" hat Barry J. Kemp: Ancient Egypt. Anatomy of a Civilization, London, 1991, p.87, fig. 30, vorgenommen. [1] Darstellung eines Benben-Steines, wie er im Tempel von Amarna aufgestellt und im Grab von Meryra dargestellt wurde. [2] Eine weitere Schreibung für Benben-Stein aus dem Grab des Meryra. [3] Die ältesten bekannten Schreibungen für benben aus den Pyramidentexten §1652b und §2069a.

Literatur

[ 1 ] Roth, Ann Macy: Buried Pyramids and Layered Thoughts: The Organization of Multiple Approaches in Egyptian Religion. in: Christopher J. Eyre (Ed.): Proceedings of the Seventh International Congress of Egyptologists: Cambridge 3-9 September 1995, Leuven, 1998, OLA 82, pp. 991-1003. p. 991; & Wilson, J.A. in: Frankfort, Henri & H.A. Frankfort & John A. Wilson & Thorkild Jacobson & William A. Irwin: The Intellectual Adventure of Ancient Man. An Essay on Speculative Thought in the Ancient Near East. Chicago-London, 1946, 1977. p. 33.
[ 2 ] Otto, Eberhard: Benben & Benbenhaus. in: LÄ I; 1975, Sp. 694-695, Sp. 694; & Kees, Herrman: Benben. in: RÄRG, S. 100-101, S. 100.
[ 3 ] Saleh, Abdel-Aziz: The So-called "Primeval Hill" and other Related Elevations in Ancient Egyptian Mythology. in: MDAIK 25, 1969, S. 110-120.
[ 4 ] Petrie, W.M. Flinders: Heliopolis, Kafr Ammar and Shurafa. BSAE 24, London, 1915, pp. 3f; Pl. 1-2.
[ 5 ] Ricke, Herbert: Der "Hohe Sand in Heliopolis". in: ZÄS 71, 1935, S. 107-111, S. 110.
[ 6 ] Otto, op.cit., Sp. 694.
[ 7 ] Kees, op.cit, S. 101; & Bonnet, Hans: Obelisk. in: RÄRG, S. 539-542, bes. S. 541.
[ 8 ] Faulkner, Raymond O.: The Ancient Egyptian Pyramid Texts. Warminster, 1969. p. 190.
[ 9 ] Barguet, Paul: Le temple d'Amon-Rê à Karnak. Essai d'Exégèse. Le Caire, 1962, p. 241f; vgl. aber die hochinteressante Besprechung bei Woodhouse, Susanne: The Sun God, his four Bas and the four Winds in the Sacred District at Sais: The Fragment of an Obelisk (BM EA 1512). In: Quirke, Stephen (Ed.): The Temple in Ancient Egypt. New Discoveries and Recent Research. London, 1997, pp. 132-151, bes. 134.
[ 10 ] Budge, E.A. Wallis: Cleopatra‘s Needles and Other Egyptian Obelisks. London, (1926), 1990, pp. 143-159.
[ 11 ] Golvin, Jean-Claude: Karnak, Temple of Amen-Re. in: EAAE, pp. 400-404, p.402.
[ 12 ] BAR II, §935.
[ 13 ] Kees, Hermann: Der Götterglaube im alten Ägypten. [MVAG 45, 1941], Berlin, 1977, S. 354f..
[ 14 ] de Buck, Adriaan: De egyptische voorstellingen betreffende den oerheuvel. Leiden, 1922, S. 28f.
[ 15 ] Stadelmann, Rainer: Die ägyptischen Pyramiden. Vom Ziegelbau zum Weltwunder. Mainz, [1985], 1991, S. 163.
[ 16 ] Otto, op.cit., Sp. 695.
[ 17 ] Bonnet, Hans: Phönix. in: RÄRG, S. 594-596.
[ 18 ] Bonnet, op.cit., S. 71 & 595.
[ 19 ] Sethe, Kurt: Urgeschichte und älteste Religion der Ägypter. in: ZDMG 1930, §31.
[ 20 ] Kees, op.cit., S. 52.
[ 21 ] Kees, op.cit., S. 218.
[ 22 ] Kaiser, Werner: Zu den Sonnenheiligtümern der 5. Dynastie. in: MDAIK 14, 1956, S. 104-116, bes. 108ff.
[ 23 ] Ricke, Herbert: Das Sonnenheiligtum des Königs Userkaf, Bd. I: Der Bau. BeiträgeBf 7, 1965, S. 3ff..
[ 24 ] Ricke, op.cit., S. 5, Abb. 1.
[ 25 ] Ricke, op.cit., S. 5.; vgl. bnwt, "Vogelstange", HWB, S. 253.
[ 26 ] vgl. Wilkinson, Richard H.: Reading Egyptian Art. A Hieroglyphic Guide to Ancient Egyptian Painting and Scultpure. London, [1992], 1994, pp. 90-91. Einwände dagegen bringt Elmar Edel: Die Kalksteintäfelchen, in: Das Sonnenheiligtum des Königs Userkaf, Bd. II: Die Funde. BeiträgeBf 8, 1969, S. 8. Der Einwand basiert darauf, daß keine weiteren Hinweise auf eine solche Vorform der Obelisken gefunden wurde. Vgl. aber Kaiser, op.cit., S. 111, Anm. 4!
[ 27 ] Kaiser, op.cit., ausklappbare Tabelle.
[ 28 ] vgl. Höber-Kamel, Gabriele: Der Sonnenglaube in der 5. Dynastie. in: Kemet 3, 1995, S. 20.
[ 29 ] Martinelli, Tiziana: Geb et Nout dans les Texts des Pyramides. Essai de compréhension du caractère masculin de Geb et de la Terre ainsi que du caractère féminin de Nout et du ciel. in: BSEG 18, 1994, pp. 61-80.
[ 30 ] Schlögl, Hermann A.: Der Gott Tatenen. Nach Texten und Bildern des Neuen Reiches. OBO 29, 1980.
[ 31 ] Bonnet, op.cit., S. 540.
[ 32 ] BAR II, §88 m. d; u. Budge, op.cit., pp. 18, 36f.
[ 33 ] Wilkinson, Richard H.: Symbol and Magic in Egyptian Art. London, 1994, pp. 82ff.
[ 34 ] BAR II, §315.
[ 35 ] Jéquier, Gustave: Deux pyramides du moyen empire. Le Caire, 1933, pp. 19ff., Fig. 16-20, Pl. 6.
[ 36 ] Arnold, Dieter: Der Pyramidenbezirk des Königs Amenemhet III. in Dahschur. Band I: Die Pyramide. AV 53, 1987, S. 15f.
[ 37 ] Jánosi, Peter: Das Pyramidion der Pyramide G III-a. Bemerkungen zu den Pyramidenspitzen des Alten Reiches. in: Ulrich Luft (Ed.): The Intellectual Heritage of Egypt. Studies presented to László Kákosy by Friends and Colleagues on the Occasion of his 60th Birthday, Budapest 1992 = Studia Aegyptiaca, 14, S. 301-308, bes. 306ff.; Hawass, Zahi & Miroslav Verner: Newly discovered Blocks from the Causeway of Sahure (Archaeological Report). in: MDAIK 52, 1996, S. 177-186, bes. 181.
[ 38 ] Arnold, op.cit., S. 14.
[ 39 ] Kaiser, op.cit., S. 111f.
[ 40 ] O'Connor, David: The Status of Early Egyptian Temples. in: Studies Hoffman, pp. 83-98.

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