Buchbesprechungen

Valloggia, Michel: Au cœur d'une pyramide. Une mission archéologique en Egypte. Catalogue édité à l'occasion de l'exposition "Au cœur d'une pyramide", au Musée romain de Lausanne-Vidy. Lausanne 2001.

ISBN 2-88474-1003

"Im Herzen einer Pyramide" ist ein recht ungewöhnlicher Titel, auch für einen Ausstellungskatalog, der letztlich in den Grabungen des Schweizers Michel Valloggia an der Pyramide des Königs Djedefre bei Abu Roasch begründet ist. Der entgültigen Abschlußpublikation vorgreifend, die demnächst in der BdE-Reihe erscheinen wird, behandelt dieser Ausstellungkatalog tatsächlich die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeiten. In der Ausstellung selbst hat man dieses "Problem" durch ein Modell der Pyramide gelöst, das entsprechend der interessanten These Valloggias eine fertige Pyramide im Querschnitt zeigt (mehrfach im Katalog abgebildet). Wie sehr diese Ausstellung die Pyramide als Ausgangspunkt hat, zeigt der Katalog schon auf den ersten Seiten, direkt nach einem ganzseitigen Satellitenbild Ägyptens. Dort, wo sonst in solchen Fällen allgemeine Anmerkungen zur ägyptischen Kunst zu finden sind, - oder zu anderen Themen, die eine Ausstellung meist bestimmen - erstreckt sich eine allgemeine Einleitung über die Pyramiden samt Seitenhieb auf die pseudowissenschaftliche Szene. Eine ganze Reihe alter Zeichungen und Aufnahmen, die man bis dahin nicht gesehen hat, begleiten den Text, der sich an den allgemein interessierten Leser richtet. Darunter befinden sich einigermaßen ausführlich die antiken, mittelalterlichen und neuezeitlichen Autoren, eine topograhische Zusammenstellung der Pyramiden von Sakkara, Giza, etc, sowie Bemerkungen zum Pyramidenbau und eine kurze Besprechung des ägyptischen Wortes für Pyramide mr.

Der zweite Teil wechselt schließlich nach Abu Roasch, wo man zunächst ein gelungenes Satellitenbild von Abu Roasch und Giza vorfindet. Eine allgemeine Besprechung Abu Roaschs und eine Zusammenfassung der bisherigen Erforschung folgt eine geschichtliche Einordnung Djedefres nebst Stammbaum der 4. Dynastie. Wirklich bemerkenswert sind die Abbildungen dieses Teils. Auf S. 52 z.B. ist eine bis dahin unveröffentlichte Zeichnung der Pyramide aus der Zeit der Lepsius-Expedition wiedergegeben, welche die Pyramide - wenn man die offensichtliche Versandung abzieht - in wesentlich besserem Zustand zeigt, als das heute der Fall ist (man erinnert sich an Petries Feststellung, daß er täglich 300 Kamelladungen beim Abtransport des Mauerwerks beobachtet hat!). Weiterhin finden sich neben Perrings Zeichungen auch die der neuesten Untersuchungen - entsprechend detailliert und neue Einblicke gebend. Die Beschreibung des Oberbaus, des Schachtes und des neuen Befundes am Boden des Schachtes sind sehr ausführlich und mit allen Maßen und Daten versehen, die seit Beginn der neuen Grabungen 1995 gesammelt wurden. Sehr viel mehr wird auch die Abschlußpublikation nicht mehr ergänzen können. Besonders hervor stechen dabei der Fund eines Kalksteinfragmentes mit einer Inschrift, die ein 23stes Jahr einer Regierung nachweisen, sowie der Befund am Boden des Schachtes, aus dem das aufragende Mauerwerk rekonstruiert werden konnte! So lassen sich sicher eine Grabkammer und eine Vorkammer trennen, die bereits das Schema der 5. Dynastie abbilden. Das ist zwar alles schon aus den Vorberichten bekannt, dennoch ist die Besprechung anhand von farbigen Zeichungen und Fotos ein wahres Vergnügen. In dieser Qualität setzt sich auch der Teil über Pyramidentempel und Aufweg fort. In den "Perspectives" werden noch kurz die modernen Methoden angesprochen, mit denen in Abu Roasch gearbeitet wurde.

Im dritten Teil des Kataloges wird zunächst die Geschichte der Schweizer Ägyptologie ein wenig aufgerollt, die neben Edouard Naville mit Gustave Jéquier bereits einen Pionier unter den Pyramidenforschern aufweist. Dessen Publikationen, besonders über die Pyramidenanlage Pepis II., waren auch nach heutigen Maßstäben vorbildlich. Fotos der aktuellen Grabungen (mit Gruppenfoto) begleiten einige grundsätzliche und interessante Bemerkungen zur Archäologie. Den herrlichen Querschnitt des Schachtes auf S. 76-77 hätte man sich zum Aufklappen gewünscht. Die Konstruktionsdetails besonders im unteren Teil verraten sehr viel - aber ein bißchen was muß wohl auch noch in die Abschlußpublikation!

Erst der vierte Teil beschäftigt sich mit den "objets trouvès", die auch in der Ausstellung zu sehen waren. An erster Stelle ist freilich der Kopf aus Quarzit, der 1900 von Chassinat entdeckt wurde. Der Katalog ist nicht nur herrlich bebildert. Die Texte zu den einzelnen Objekten sind sehr ausführlich und mit Literaturangaben versehen. Neben den Objekten aus Abu Roasch gibt es noch einige von anderen Orten des AR, z.B. zwei Köpfe des Chephren oder die Statue des Pehernefer. Der Band endet mit einer Zeittafel, einem Literaturverzeichnis und einer Karte der memphitischen Nekropolen.

Wer sich intensiv mit dem Alten Reich beschäftigt - im Gegensatz zum Neuen Reich ist das eine Minderheit - kommt an diesem Band nicht vorbei. Abgesehen von den Vorberichten handelt es sich hierbei im Moment um die einzige Veröffentlichung aus der Hand des Ausgräbers selbst, in der die neuen und durchgehend revolutionären Entdeckungen besprochen werden. Während ähnliche Fortschritte im Neuen Reich für volle Kolumnen gesorgt hätten, führen die Arbeiten des AR grundsätzlich ein Schattendasein. Der Katalog ist erfrischend, bunt und auch für den Neuling gut zu lesen. 111 Seiten im großformatigen Karton mit zahlreichen durchweg farbigen und teilweise ganzseitigen Abbildungen versprechen auch optisch ein Vergnügen. Besser kann man Archälogie nicht verpacken! Knapp 35 Euro sind dafür kein Geld.

Michel Valloggia ist Professor für Ägyptologie an der Universität von Genf. Seine Arbeit konzentrierte sich vor Abu Roasch auf die Grabungen in der Oase Dachla (besonders zum AR), wozu von ihm mehrere Veröffentlichungen erschienen sind.

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