Buchbesprechungen

Günter Dreyer: Umm el-Qaab I: Das prädynastische Königsgrab U-j und seine frühen Schriftzeugnisse. Mit Beiträgen von Ulrich Hartung und Frauke Pumpenmeier und einem Anhang von Friedel Feindt und Margaret Fischer. Archäologische Veröffentlichungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo, (AV) 86. Mainz, 1998. Verlag Philipp von Zabern.

ISBN 3-8053-2486-3

In den letzten Jahren hat sich das Bild des älteren Ägypten massiv gewandelt. Die wissenschaftliche Erforschung dieser Zeit steht in neuer Blüte. Wesentlichen Anteil daran haben die Grabungen des Deutschen Archäologischen Instituts in Abydos unter der Leitung von Günter Dreyer. Mit diesem Band ist die Reihe dieser Grabungen, die seit 1977 zunächst unter Werner Kaiser begonnen wurden, in die Phase der Einzelveröffentlichungen gegangen (Vorberichte in MDAIK 35, 1979ff.).

Band I behandelt in aller denkbaren Ausführlichkeit eines der bedeutensten Gräber überhaupt: U-j, das Grab eines bisher unbekannten Königs Skorpion I., das sicher nachweisbar in Naqada IIIa2 zu datieren ist, was etwa 3320 v.Chr. bedeutet, also etwa 9 bis 10 Könige vor Aha und der geschichtlichen Zeit. Die Bedeutung dieses Grabes liegt in dessen Größe und erstmaligen Ausgestaltung als Hausmodell. Damit ist ein Gedanke umgesetzt, der die Architektur der nächsten 3500 Jahre grundlegend bestimmen sollte.

Weltruhm hat U-j aber durch seine Schriftzeignisse erfahren! Sie scheinen zu beweisen, daß nicht - wie bisher stets angenommen - die Sumerer die Schrift erfanden, sondern die Ägypter! Die detaillierte Besprechung von Dreyer zeigt, daß die Funde in diesem Grab nicht die Anfänge einer Schrift aufzeigen, sondern daß diese schon dort die Regeln der späteren Hieroglyphenschrift voll besitzt. Statt einfachen Bildern, wie man ursprünglich glaubte, konnte Dreyer die Zeichen tatsächlich lesen. 50 Zeichen, die sich sowohl in Semogramme und Phonogramme als auch in phonetische Komplemente und Determinative einteilen ließen, ergaben eine richtige und schon komplexe Schrift. Dreyer folgert aus all dem logisch und konsequent, daß die Schrift noch älter sein muß und ihre Anfänge möglicherweise sogar in Naqada IIc liegen (S. 181), wofür eventuell lesbares Material vorliegt! Denkbar, so Dreyer, wäre inzwischen, daß die sumerische Schrift von Ägypten aus inspiriert worden ist (S. 182). Damit ist der 1. Band dieser Reihe schon vor der Drucklegung ein Meilenstein für die Ägyptologie.

Umm el-Qaab I ist die exakte Dokumentation des Grabes, seiner Bedeutung, seiner Architektur, seiner zahlreichen Funde. Etwas übertrieben formuliert, bleibt keine Scherbe unerwähnt. Von der Keramik bis zu den Aufschriften auf den Wellhenkelgefäßen bis zu den Spielsteinen, wird jeder Fund genau vorgestellt und analysiert. Besondere Beachtung verdient dabei die ausführliche Besprechung der Schriftfunde und die Analyse über den Ursprung der Schrift, die schon jetzt die Geschichte neu geschrieben hat. Frauke Pumpenmeier behandelt die Keramik, Ulrich Hartung die Importkeramik. Im Anhang von Feindt und Fischer geht es um die Untersuchungen botanischer Proben (Hölzer, Mattenreste, Getreide).

Umm el-Qaab I ist definitiv kein Buch für Anfänger, sondern rein wissenschaftliche Literatur, die meist schwer zu lesen ist. Es ist gerade ein Zufall, daß der Inhalt dieses Bandes über den reinen Wissenschaftsbetrieb hinaus Bedeutung erfahren hat. Dem Buch ist diese Sensation freilich nicht anzumerken. Schon der Preis von 198,-DM ist wohl AV-typisch, aber für einen einfachen Ägyptenfreund kaum realistisch. Geboten wird dafür die übliche Zabern-Qualität: Übergroßes Format, IX & 195 Seiten mit 109 Abbildungen im Text, teilweise aufklappbare Pläne, einem Index der Schriftzeichen & 47 s/w-Tafeln in ebenso üblicher, herausragender Qualität.

Günter Dreyer ist Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo, Spezialist nicht nur für das ältere Ägypten, sondern auch Assyrologe, so daß sein Wort gerade für dieses Thema viel Gewicht hat. In der AV-Reihe erschien von Dreyer: Elephantine VIII: Der Tempel der Satet. Die Funde der Frühzeit und des Alten Reiches, 1986; demnächst: Elephantine V: Der Tempel der Satet in der Frühzeit und im Alten Reich. Dreyer ist Autor zahlreicher grundlegender Aufsätze zu Abydos, zu den frühen, kleinen Stufenpyramiden und zur frühen Schrift und Geschichte allgemein.

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