Buchbesprechungen

Kathryn A. Bard (Ed.): Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt. Routledge, London, 1999.

ISBN 0-415-18589

Ganz schön gewaltig kommt das neueste lexikalische Werk der Ägyptologie daher. XXX + 938 Seiten für 508,-DM ist keine alltägliche Anschaffung. Damit ist sogar für wissenschaftliche Fachliteratur definitiv die oberste Preisklasse erreicht.

Die Zielgruppe für dieses - man kann es so sagen - "Meisterwerk" dürfte nicht leicht zu bestimmen sein. Der Anfänger wird sich nicht zurecht finden. 129 Illustrationen auf fast 1000 Seiten verteilt mindert die Vorstellungskraft erheblich, wenn nicht weiteres Material zur Verfügung steht, das diesem Mangel Abhilfe verschaffen kann. Dagegen sorgen die oft sehr ausführlichen Artikel für Informationen in wirklich beträchtlichem Umfang. Allein für Abydos stehen mehr als 22 Seiten (mit je 2 Spalten) mit den wichtigsten Informationen zur Verfügung. Eine übersichtliche Karte der beschriebenen Lokalitäten hingegen fehlt. Aber auch der fortgeschrittene Hobby-Ägyptologe wird sich vor einem Problem wiederfinden, denn das völlige Fehlen von Anmerkungen für Quellennachweise macht es praktisch unmöglich, die Literatur für einzelne Fragen zu besorgen. Abhilfe sollte hier möglicherweise die Liste der weiterführenden Literatur am Ende jedes Stichwortes schaffen. Doch Qualität und Quantität dieser Listen sind sehr unterschiedlich. Sie fallen allzu oft unter die Kategorie "General Reading". So ist es sicher zu begrüßen, daß ein Stichwort wie "Religion, State" aufgenommen wurde, aber die wesentliche Literatur dazu fehlt. Stichwörter wie "anthropology and Egyptology", "ma'at", "pantheon", "representational evidence" oder "writing, invention and early state" übertreffen jedoch die Erwartungen an eine Enzyklopädie, die sich ja eigentlich mit Archäologie befaßt, beträchtlich. Auch die Querverweise am Ende jedes Artikels sind eine prima Hilfe und der herausragende Index dazu kann den Leser an jeden Zusammenhang innerhalb des Werkes führen. Erfreulich ist weiterhin zu bemerken, daß auch inzwischen verstorbene Ägyptologen nocheinmal gelesen werden können, wie z.B. I.E.S. Edwards oder Wolfgang Helck. Bei Edwards schlägt sich das allerdings schon wieder darin nieder, daß z.B. sein Artikel über Abu Roash die Ergebnisse der aktuellen Campagnen unter Michel Valloggia nur bis 1995 berücksichtigt, obwohl in den drei nachfolgenden Vorberichten wirklich bedeutsames Material zu finden wäre.

Von S. 6 bis 77 kann man in wirklich guten "overviews" die Geschichte des Alten Ägypten vom Paläolithikum bis in römische Zeit und aus dem aktuellen Forschungsstand heraus an sich vorbeiziehen lassen. An den folgenden Stichwörtern von A (wie A-Group Culture) bis Z (wie Zawiyet el-Aryan) haben 123 Ägyptologen aus aller Welt gearbeitet. Neben Örtlichkeiten, Funden und Bauwerken werden auch komplexe Fragestellungen gezielt behandelt. Hier gibt es viele Highlights. Warum man aber für das Grab des Tutanchamun drei ganze Seiten einplant, während andere Gräber mit weitaus höherem Stellenwert nur tabellarisch aufgeführt werden, ist nicht leicht erklärbar. Auch die ausführliche Beschreibung von KV 5, die freilich interessant ist, nimmt die Hälfte des Platzes ein, den die ganzen Königsgräber zusammen erhalten haben. Wiederum begrüßenswert sind die Stichwörter über die größten Ausgräber und wiederum ist es kaum zu verstehen, daß z.B. Ludwig Borchardt oder Hermann Junker keinen Platz gefunden haben, die sicher zu den ganz Großen gehören.

Diese gewaltige Enzyklopädie wird man niemals ausgelesen haben. Aktueller und umfangreicher kann man sich derzeit nicht über das Alte Ägypten informieren. Selbst 508,-DM scheinen mir die richtige Investition zu sein, denn seit dieses Buch vor mir liegt (seit drei Wochen), sehe ich doch immer wieder dort nach, und daran wird sich so schnell nichts ändern. Schade, daß dieses Buch - wie auch das "Lexikon der Ägyptologie" - in Anbetracht der vielen laufenden Grabungen schnell an Aktualität verlieren wird. Das ist das Schicksal aller Printmedien und eben nicht zu ändern.

Da kann man nur noch viel Spaß beim "Endlos-Lesen" wünschen!

Kathryn A. Bard ist Ägyptologin im Department of Archaeology an der Boston University, Massachusetts und Spezialistin für die vor- und frühgeschichtliche Zeit. Grabungen z.B. in Diospolis Parva (1989).

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