Buchbesprechungen

Dieter Arnold: Temples of the Last Pharaos. New York & Oxford, 1999. Oxford University Press.

ISBN 0-19-512633-5

Die Tempel der "letzten Pharaonen" waren schon einmal das Thema eines weit verbreiteten ägyptologischen Werkes: Serge Sauneron & Henri Stierlin: Die letzten Tempel Ägyptens, Zürich, 1978. Seitdem hat sich in der Forschung doch einiges verändert, sodaß Arnolds Buch gewissermaßen im richtigen Moment erscheint.

Wenn es um Architektur geht, ist Dieter Arnold unter den ersten Adressen zu finden. Wir haben es hier auch nicht mit einem Werk zu tun, das nur schnell einen Querschnitt über die letzten Tempel zeichnen will. Im Gegenteil! Arnold legt hier eine detaillierte Beschreibung vor, die sowohl bautechnische als auch entwicklungsgeschichtliche Aspekte in breiter Front berücksichtigt. Man erfährt exakt, wer, wann, was errichtet bzw. zu welchem Tempel hinzugefügt hat. Beleuchtet werden auch die Bauformen, Strukturen und Charakeristika der verschiedenen Epochen, z.b. unter "Formal and Stylistic Aspects of Ptolemaic Temple Architecture". Allein die Besprechung dieses wichtigen Themas hat sieben Seiten erhalten! 19 Seiten für die Kuschitische Tempelarchitektur! Das soll nur als Anhaltspunkt dafür dienen, daß wir es hier mit einem wissenschaftlichen Buch zu tun haben, daß mit allerlei Einzelheiten umgeht. Es ist definitiv kein Buch aus der populärwissenschaftlichen Abteilung, wie auch die ausführlichen Quellennachweise im hinteren Teil des Buches beweisen. Die Behandlung erfolgt chronologisch von den letzten Tempeln des Neuen Reiches bis zu Theodosius I., mit dem das Alte Ägypten entgültig sein Ende erlebt. Unterstützt wird diese detailreiche Beschreibung von Karten, Plänen, Querschnitten, Grundrissen und Rekonstruktionen sowie von Fotos in allerhöchster Qualität. Viele dieser Zeichnungen und fast alle Fotos sieht man erfreulicherweise zum erstenmal. Es ist keine Wiederholung althergebrachter Bücher, sondern vermittelt eher den Eindruck, als sei dieser ganze Aufwand speziell für dieses Buch betrieben worden.

Nach der chronologischen Abhandlung folgt im II. Teil eine ausführliche Besprechung, die sich speziell mit den Bauformen und ihrer Herleitung befaßt. Unter Stichworten wie z.B. "Birth House" werden so die wichtigsten Elemente spätägyptischer Architektur erläutert. Schließlich folgt noch die Schlußfolgerung, die sich mit stilistischen Entwicklungen, archaischen Tendenzen, Göttern, Erbauern und der Austrahlung dieser einzigartigen Architektur auf die westliche Welt beschäftigt. Es gibt kein vergleichbares Buch auf dem Markt, das diese Themen jemals so umfassend behandelt hätte!

Da man schon im Text mit zahllosen Details erschlagen wird - die Grundmaße der Tempel gehören z.B. stets dazu - folgt im Anhang zunächst eine Liste der spätzeitlichen Tempel, die nochmal Auskunft darüber gibt, wer, wann, was gebaut hat. Erstaunlich ist dabei, daß selbst eingefleischte Ägyptenfreaks hier von Tempeln lesen werden, von denen sie zuvor noch nie etwas gehört hatten, bzw. auch von Tempeln, die inschriftlich nachgewiesen, aber bis zum heutigen Tag nicht gefunden werden konnten. Wer weiß schon von einem Tempel von Psammetik II in el-Naharyia? Sehen Sie!

Am Ende des Bandes folgt zunächst noch ein Glossar, das sicher jeder Leser immer wieder gern benutzen wird, es sei denn, er ist mit Begriffen wie Voluten oder Orthostaten groß geworden. Auswahlliteratur und abschließender Index sind sehr hilfreich und genau. Und spätestens jetzt wird man festgestellt haben, daß dieses Buch ein Standardwerk ist, das das Rückgrat für die weitere Erforschung spätzeitlicher Tempel bilden wird.

100,-DM für dieses Buch ist praktisch wie geschenkt! 270 Zeichungen und Fotos sowie 18 ganzseitige Pläne und Grundrisse auf 373 Seiten im mittelgroßen Format, dicht beschrieben und in hoher Qualität mit hohem Niveau - wo es mehr für weniger gibt, will mir im Moment nicht einfallen.

Prof. Dr. Dieter Arnold ist Kurator der Ägyptenabteilung am Metropolitan Museum of Art in New York, seit 1963 als Archäologe in Ägypten tätig (z.B. Pyramiden von Lischt und Dahschur), Autor zahlreicher Bücher und Aufsätze, die für die Erforschung altägyptischer Architektur wegweisend sind.

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