Die Große Pyramide
des Königs Cheops in Giza
Die "Trial Passages"
und der "Trench Cut"
Teil I
An der Ostseite der Cheopspyramide gibt es einige sonderbare und höchst interessante bauliche Befunde, die - wenn der Schein nicht trügt - nicht nur für diese Pyramide, sondern für ein Verständnis des ganzen Pyramidenbaus der 4. Dynastie von höchster Bedeutung sind. Dazu gehören die sog. "Trial Passages" (oder: "Replica Passages"), der "Trench Cut" (oder "Narrow Trench") und das Schachtgrab G7000-x der Königin Hetepheres [ 1 ]. Bevor ich auf die Interaktion und die mögliche Bedeutung dieser Elemente im Detail zu sprechen komme, folgt zunächst eine Beschreibung der einzelnen Teile und eine grobe Übersicht über die bisherigen Deutungen.
"Trial Passages" und "Trench Cut"
87,50 m östlich der Cheopspyramide und 30,50 m nördlich der Ostwest-Achse der Cheopspyramide, bzw. 11 m nördlich der Bootsgrube, befinden sich die sog. "Trial Passages" [ 2 ]. Bei diesen "Versuchspasssagen" handelt es sich um ein 22 m langes Modell wesentlicher Teile der Cheopspyramide, nämlich um den Absteigenden Gang, den Aufsteigenden Gang, den Horizontalen Gang, die Große Galerie und um einen senkrechten Schacht, der in der Cheopspyramide nicht bzw. nicht an dieser Stelle vorkommt. Die maximale Tiefe der Schächte erreicht 10 m. Die Ausrichtung ist exakt auf einer NS-Achse. Der Absteigende Gang ist 1,05 m breit und 1,20 m hoch und verläuft über 21 m und 26°32' nach unten. Im selben Maß steigt der Aufsteigende Gang an, der sich nach 5,80 m zur Großen Galerie ausweitet. Wie die "echte" Große Galerie bleibt der Gang in der Mitte 1,05 m breit und wird auf den Seiten von 47 cm (Osten) und 50 cm (Westen) breiten Bänken flankiert. Die mittlere Höhe dieser Bänke beträgt 60 cm. Über dem Punkt, an dem der Aufsteigende Gang aus dem Absteigenden Gang aufsteigt, befindet sich ein senkrechter Schacht, dessen quadratische Seiten 72,7 cm messen. Dieser Schacht existiert in der Cheopspyramide nicht, jedenfalls "as far as we know them" [ 3 ], denn fast an dieser Stelle befinden sich noch heute die granitenen Blockierungssteine in situ. Die Trial Passages weisen - wie die Cheopspyramide auch - die untere Verengung des Ganges auf, in dem die Blockierungssteine klemmen. Nach Petries Beobachtungen sind die Trial Passages mit viel Sorgfalt in den Felsen geschnitten und innen abschließend geglättet. Die mittlere Abweichung ist nur wenig größer als an der Pyramide selbst. Nach Maragioglio & Rinaldi wurden sogar fehlerhafte Stellen aufwendig mit Mörtel ausgebessert [ 4 ]. Die "Trial Passages", nach Lehner, Hetep-Heres, p. 47, Fig. 10. Abb. oben nach p. 46, Fig. 9. Diese Trial Passages sind in den Gangmaßen und Winkeln nahezu identisch mit den Gängen in der Cheopspyramide. Der wesentliche Unterschied liegt darin, daß die Gänge verkürzt sind. Sogar der senkrechte Schacht ist in seinen Ausmaßen identisch mit dem oberen Teil des Serviceschachtes in der Cheopspyramide - nur befindet sich dieser an einer anderen Stelle [ 5 ]. Um den Bereich des nördlichen Eingangs ist der Fels in Stufen bearbeitet, die den Anschein erwecken, sie wären zur Aufnahme von Mauerwerk bestimmt. Es wurde nie welches gefunden. Der ganze weite Bereich des Plateaus um die Schächte herum wurde aufwendig nivelliert. Blick in die "Große Galerie" der Trial Passages von Süden. Diese Trial Passages wurden bereits von Vyse und Perring entdeckt, die von einer unvollendeten, vierten Nebenpyramide ausgingen [ 6 ]. Weiterhin untersucht wurden die Trial Passages von Petrie, der diese exakt vermaß, und der sie für ein Modell (im Sinne eines Bauplans) der Cheopspyramide hielt [ 7 ]. Maragioglio & Rinaldi folgen Petrie in der Argumentation im Sinne eines Modells der Cheopspyramide, "to define plastically and practically the characteristic points of the internal passages of the pyramid" [ 8 ]. Dagegen hat Lehner mit viel Aufwand und Akribie eine These entwickelt, nach der es sich bei den Passages um die aufgegebene Nebenpyramide von Cheops handelt [ 9 ]. Diese These ist nach dem Fund der Nebenpyramide GI-d nicht länger zu halten und wird allgemein abgelehnt. Stadelmann hat mit Hinweis auf einen einheitlichen Bauplan der Cheopspyramide und die Fertigstellung des Cheopsbezirkes eine aufgegebene Pyramide abgelehnt und wie Petrie ein Modell der Cheopspyramide bevorzugt [ 10 ]. Durch die Entdeckung von GI-d ist eine neue und ausführliche Diskussion über die Funktion der Trial Passages notwendig geworden [ 11 ], die hier versucht werden soll. Blick in den senkrechten Schacht der Trial Passages. Direkt 5,70 m westlich der Westecke der "Großen Galerie" befindet sich der sog. "Trench Cut" oder "Narrow Trench", ein 7,40 m langer und durchschnittlich 70-71 cm breiter Einschnitt in den Felsen des Plateaus, der nordsüdlich ausgerichtet ist. Er reicht nur bis 27 cm im Norden und 44 cm im Süden in den Felsen [ 12 ]. Seine Breite entspricht praktisch jener des senkrechten Schachtes in den Trial Passages. Eine Reihe von vier kleinen Löchern im Plateau bilden eine gerade OW-Linie. Wesentlichen Beitrag zum Verständnis dieser Befunde liefern einige Beobachtungen Lehners, die auf alten Vermessungen und neuen Daten des Giza Plateau Mapping Projects beruhen [ 13 ]. Die folgenden Interaktionen stammen aus einer 1:1000 Karte, was - nach Lehners Ansicht - nicht ganz ausreichend ist. Trotzdem gibt es einige sehr wertvolle Beobachtungen, die im Gesamtzusammenhang auch bei Ungenauigkeiten eine große Wahrscheinlichkeit haben [ 14 ]:
|