Die Große Pyramide

des Königs Cheops in Giza

Der Pyramidentempel I

Basaltpflaster des Pyramidentempels an der Ostseite der Cheopspyramide.
Im Hinterrgrund die drei Pyramiden der Königinnen.

Der Aufweg, der sich über das Plateau her in Richtung der Pyramide erhebt, mündete einst in einem beeindruckenden Pyramidentempel. Obwohl abgesehen von Resten eines schwarzen Basaltpflasters, Versatzspuren und einigen weiteren, kaum wahrnehmbaren Details nichts mehr aufgefunden werden konnte und heute auch keine einzige Mauer mehr aufrecht steht, dürfte es sich um einen der größten Tempel seiner Zeit gehandelt haben, der auf dem Weg zum Gipfel monumentaler Ausgestaltung die vorletzte Etappe bildete und nur noch vom Pyramidentempel Chephrens übertroffen wird. Im Gegensatz zu den Pyramidentempeln der Könige Chephren und Mykerinos wurde das Mauerwerk allerdings nicht aus derart gigantischen Steinblöcken errichtet [ 1 ], was ein Grund dafür sein wird, daß vom Tempel selbst heute praktisch nichts mehr zu sehen ist. Maragioglio & Rinaldi nehmen an, daß das Mauerwerk des Tempels aus zwei vertikalen Schichten lokalen Kalksteins bestand - ebenso, wie das für den sog. Taltempel der Knickpyramide zutrifft [ 2 ]. Warum der Tempel heute in einem derart schlechten Zustand ist, und warum überhaupt der ganze Tempel mehr oder weniger vollständig abgetragen worden sein muß, ist eine offene Frage, deren Beantwortung z.Zt. nicht klar ist [ 3 ].

Befund am Pyramidentempel nach Lauers Aufnahme.
Nach Lauer, temple funéraire, Pl. LXVIII.

Der Pyramidentempel befindet sich genau auf der Ostwest-Achse der Cheopspyramide [ 4 ]. Auf der Nord-, Süd- und Ostseite zeigen deutliche Versatzspuren die ursprüngliche Rahmengestalt des Tempels an. Der Eingang vom Aufweg her befindet sich in der Mitte der Fassade. Er mündet in einen großen Hof, der ringsherum einen mit Pfeilern gedeckten Umgang bildet. Das Pflaster dieses Hofes bestand aus dem noch heute sichtbaren Basalt, der in größeren Resten noch in situ liegt. Gegen Westen hin verjüngt sich eine dreireihige Pfeilerfront vor zwei gewaltigen Mauerrücksprüngen so, daß sie nur das Kultziel in Gestalt einer monumentalen Tornische herausstellt. Hinter dieser Tornische wird der Befund ganz unsicher. Der westliche Teil des Pyramidentempels ist durch ein saitisches Begräbnis schwer gestört und auf keinen Fall sicher rekonstruierbar [ 5 ]. Dieses Grab blieb unfertig und besteht aus einem ungleichen Rechteck, das rund 6,50m von der Pyramidenbasis entfernt ein 5,30m langes und 4m breites Loch bildet, das bis zu 13,20m tief in den Felsen führt [ 6 ]. Daraus ergibt sich für den Tempel das relativ gut gesicherte Maß von 52,40 m nord-südlicher Breite [ 7 ]. Das westliche Ende des Pyramidentempels wird von der Umfassungsmauer begrenzt. Auf der Achse scheint der Tempel hingegen 8 Ellen weit in der Pyramidenhof hineinzuragen, was zu einer ost-westlichen Länge von rund 45,30 m führen würde (s.u.).

Der Westteil des Pyramidentempels. Der ganze Bereich ist nach der Einbringung eines
saitischen Begräbsnisses (eingezäunt) nicht mehr sicher rekonstruierbar.

Befund im Westteil des Pyramidentempels. Innerhalb einer unregelmäßigen 60 cm tiefen
Ausschachtung befindet sich ein Schachtgrab aus saitischer Zeit. Nach MR IV, Tav. 9, Fig. 1.

Im westlichen, zerstörten Teil des Tempels muß sich in jedem Fall das Sanktuar befunden haben. Lauer rekonstrierte aus den Versatzspuren einen nord-südlich ausgerichteten Raum mit 24 x 6 Ellen [ 8 ]. Über diesen Raum, der die Funktionsweise dieses Tempels und gleichzeitig bis zu einem gewissen Punkt sogar die Funktionsweise der Pyramide selbst bestimmt, ist viel geschrieben worden. Grundsätzlich unterscheidet man drei sich gegenseitig ausschließende Möglichkeiten [ 9 ]:

  1. An der Ostwand befand sich eine Scheintür. Der tote König tritt durch diese aus seiner Pyramide und nimmt das Totenopfer entgegen [ 10 ].
  2. Vor der Ostseite der Pyramide standen zwei große Stelen, an denen das Totenopfer durchgeführt wurde [ 11 ].
  3. Es gibt keinen Totenopfertempel in Pyramidentempeln der 4. Dynastie. Dementsprechend gibt es auch keine Stelen und keine Scheintür. Der König ist, wie im sog. Taltempel der Knickpyramide, allein "in" Statuen allgegenwärtig [ 12 ].

Über die Funktion der Pyramidentempel soll an anderer Stelle genau gehandelt werden. Hier jedoch ist aus dem Befund für keine dieser Lösungsvorschläge eine sichere Entscheidung zu treffen. Tatsächlich ist die Lage sogar so komplex, daß neben dem ganzen westlichen Teil des Tempels sogar dieser längsrechteckige Raum, der die Basis für die Rekonstruktionen dort bildet, erheblich in Frage zu stellen ist. Lauer rekonstruierte ihn aus einer geringen, 60 cm tiefen Grube im Felsen, die 19,5m x 9,25m mißt. Maragiolio & Rinaldi weisen aber zurecht darauf hin, daß an keiner anderen Stelle des Tempels Ausschachtungen als Fundament für Räume verwendet wurden, und daß diese Ausschachtung kein regelmäßiges Rechteck bildet [ 13 ]. Vielmehr scheint es sich nach den Beobachtungen um eine natürliche Begebenheit schlechten Kalksteins zu handeln, die durch ein Unterpflaster ersetzt werden sollte. Die logische Konsequenz daraus ist, daß der Pyramidentempel wahrscheinlich eher nicht über die Umfassungsmauer in den Hof hineinragte, sondern so wie der des Königs Chephren direkt mit der Pyramidenumfassungsmauer abschloß [ 14 ]. Weiterhin würde sich daraus ergeben, daß die Tornische, die man eigentlich als Durchgang in ein Sanktuar ansieht, tatsächlich direkt an der Umfassungsmauer geendet hätte. Für diesen Fall wäre dann eine Scheintür, die schon durch die Form der Tornische vorgegeben ist, die wahrscheinlichste Lösung [ 15 ], auch wenn man sich dort prinzipiell eine Statue denken könnte.

Der Grundriß des Pyramidentempels ohne Erweiterung in den Hof
dürfte die wahrscheinlichste Rekonstruktion sein. Nach MR IV, Tav. 10, Fig. 9.

Von den möglichen Lösungen zur kultischen Funktionalität des Tempels ist den Stelen die geringste Wahrscheinlichkeit einzuräumen. Ein Stelenheiligtum hätte verschiedentlich Spuren hinterlassen müssen, für die allerdings nicht das geringste Indiz besteht [ 16 ]. Ähnlich undurchsichtig ist auch die Situation der beiden Massive. In jedem Fall führt am nördlichen Massiv ein Korridor an der Außenwand entlang durch eine wahrscheinlich zweiflügelige Tür in den Pyramidenhof. Davon zeugt noch heute eine Schwelle aus Rosengranit [ 17 ]. Lauer hat in den Massiven selbst ebenfalls Räume rekonstruiert, über die allerdings so wenig gesagt werden kann, daß selbst ihre Existenz nicht als sicher angesehen werden darf [ 18 ]. Immerhin könnte man sich in diese Räumlichkeiten die sonst auch üblichen Magazine denken (vgl. MR IV, p. 62.). Ein ähnlicher Korridor wie an der Nordseite führt auch an der Südseite am Massiv vorbei. Da allerdings keine Spuren einer Tür oder einer Schwelle gefunden werden konnten und der Korridor offensichtlich nicht durch die Umfassungsmauer führte, ist es möglich, daß es sich dabei um einen auch sonst nicht unüblichen Aufgang auf das Dach des Tempels gehandelt hat [ 19 ].

Anmerkungen

[ 1 ] Lauer, temple funéraire, p. 256.
[ 2 ] MR IV, p. 162, Obs. 45.
[ 3 ] vgl. jedoch Hawass, Pair-Statue; Goedicke, Re-used Blocks. Petrie, Pyramids, p. 14, nimmt an, daß die Araber das Unterpflaster zum Brennen von Kalkstein zu großen Teilen zerstört haben.
[ 4 ] Lauer, op.cit., p. 246; MR IV, p. 60. Für eine Besprechung des Pyramidentempels vgl. a. Hawass, Funerary Establishment, pp. 9-30.
[ 5 ] Abou-Seif, Dégagement, p. 236, Pl. LXVI.
[ 6 ] MR IV, p. 62.
[ 7 ] Für die Maße s. Lauer, op.cit., p. 246ff., Fig. 17; MR IV, p. 60.
[ 8 ] Lauer, op.cit., p. 255 u. Fig. 17.
[ 9 ] für eine Besprechung dazu vgl. MR IV, pp. 164-168, Obs. 47.
[ 10 ] Stadelmann, Giza, S. 164; ders., Pyramiden, S. 122. Lauer, Notes complémentaire, pp. 116ff. hat eine Reihe von Scheintür-Rekonstruktionen vorgestellt.
[ 11 ] Ricke, Bemerkungen AR II, S. 44ff; Jánosi, Entwicklung und Deutung des Totenopferraumes, S. 146f.
[ 12 ] vgl. Jánosi, op.cit., S. 153; Arnold, Royal Cult Complexes, pp. 50ff., Fig. 13.
[ 13 ] MR IV, p. 166, Obs. 47.
[ 14 ] ibd.
[ 15 ] ibd.
[ 16 ] vgl. Stadelmann, Giza, S. 164; ders., Pyramiden, S. 122.
[ 17 ] MR IV, p. 62.
[ 18 ] vgl. Lauer, temple funéraire, p. 247, Fig. 17; Pl. LXVIII.
[ 19 ] MR IV, p. 62.

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