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Kernbohrungen im Alten Ägypten IV

Die Technik der Kernbohrung - 2

Bohrungen in einem Abakus aus Rosengranit im Pyramidentempel des Königs Unas in Sakkara.
Nun wäre zu fragen, wie es um die Herstellung des Kupferrohrs bestellt ist. Leider kenne ich keine einzige Besprechung, die explizit auf diese Frage eingegangen wäre. Jedoch lassen sich aus anderen archäologischen Befunden Rückschlüsse über die Beschaffenheit der Kupferbohrer ziehen. Kupfer, ägyptisch hmty, erstmals in der 2. Dynastie schriftlich nachgewiesen [ 1 ], ist eindeutig der primäre Befund in Bohrlöchern, womit bewiesen ist, daß es sich um das zur Bohrung verwendete Material handelt. Kupfer ist das erste dem Menschen bekannte Metall [ 2 ]. In Ägypten ist es erstmals seit der Badarizeit (5. Jahrtausend v.Chr.) durch einen Fund in Grab 596 bei Mostagedda belegt [ 3 ]. Zunächst wurde es eingeführt oder direkt als gediegenes Kupfer gewonnen [ 4 ]. Später entwickelte sich die Gewinnung aus Kupfererz [ 5 ]. Bereits im 4. Jahrtausend v.Chr. wurde es bei Timna nachweislich abgebaut [ 6 ]. Für das Alte Reich gibt das Grab des Wepemnofret aus der 5. Dynastie in Giza Auskunft, in welchem Szenen die Bearbeitung von Kupfer zeigen [ 7 ]. Inhalt dieser Szenen ist das Schmelzen, Gießen und das allmähliche Auskühlen des Kupfers, wodurch die Elastizität des Materials während der weiteren Bearbeitung gesichert werden soll. Auch die Beischrift, "Es gibt keinen Riss (?), wenn es exzellent erhitzt wurde", spricht dafür, daß die Ägypter der 5. Dynastie mit den spezifischen Eigenschaften ihrer Materialien bestens vertraut waren [ 8 ]. Die Erzeugung von Kupferblechen ist der einfachste Herstellungsprozess und bereits in der 1. Dynastie zahlreich nachgewiesen [ 9 ]. Damit ist die Voraussetzung zur Fabrikation unserer Kupferrohre gegeben. Der Befund, der für Kernbohrungen neben Resten in den Bohrlöchern negativ bleibt, weist ebenfalls auf die sichere Beherrschung bei der Herstellung des Kupferblechs im Alten Reich. Im Grabdenkmal des Sahure fand Borchardt Kupferbleche, die als Abwassersystem des Pyramidentempels dienten [ 10 ]. Hergestellt wurden hier ursprünglich 1 m lange und 0,047 m durchmessende Kupferrohre. Das Blech ist gehämmert und 0,0014 m stark. Eine Analyse ergab [ 11 ]:


    96,47% Kupfer
    0,18% Eisen, Arsen
    3,35% Chlor, Sauerstoff, usw.

Die Herstellung der Rohre geschah durch winkelförmige Taschen, die so sorgsam gehämmert wurden, daß sie für diesen Vewendungszweck immerhin wasserdicht gewesen sind. Ähnlich könnte man sich den Vorgang für die Herstellung der Kupferrohre für Kernbohrungen denken. Nach Borchardts Ansicht kannten die alten Ägypter im Alten Reich noch keine Lötung [ 12 ]. Allerdings wurde später die berühmte Grabausstattung der Königin Hetepheres aus der 4. Dynastie gefunden, und an dieser sind Silber-Lötungen sicher nachweisbar [ 13 ]. Es wäre also denkbar, vielleicht sogar wahrscheinlich, daß die Kupferrohre gelötet wurden. Den Ägyptern war das Gießen des Kupfers vom Befund her sicher seit Beginn der Frühzeit bekannt [ 14 ]. Jedoch besteht ein qualitativ immenser Unterschied, wenn man ein Kupferrohr gießen möchte. Axt und Meißel etc. wurden sicher seit je her gegossen. Der Hohlguß ist vor dem Mittleren Reich allerdings nicht nachweisbar [ 15 ]. Selbst die Trompeten Tutanchamuns aus dem Neuen Reich sind noch gelötet [ 16 ]! Nach Ansicht von Stocks wurde Kupfer in Bleche gegossen, gehämmert und schließlich um die Triebstange gebogen und dort entsprechend befestigt, wogegen bei größeren Durchmessern möglicherweise tatsächlich direkt ein Rohr gegossen wurde [ 17 ].

Granitsäule in Tanis aus Rosengranit mit Bohrung an der Unterseite zur Einzapfung in die Säulenbasis, die vermutlich aus einem Pyramidenbezirk des Alten Reiches stammt.
Z.Zt. gibt es wieder eine Diskussion darüber, ob die teilweise recht umstrittenen Befunde in Kupferarbeiten bis zum Ende des Alten Reiches Zinn enthalten, weil man Zinnbronze bewußt herstellen wollte, oder weil die Zinnanteile auf die natürlichen Verunreinigungen zurückzuführen sind [ 18 ]. Der Sinn einer solchen Maßnahme würde sich aus der niedrigeren Schmelztemperatur und den verbesserten Fließeigenschaften beim Gießen ergeben. Diese Frage wurde von Haase jedoch im Zusammenhang mit der nicht ausreichenden Härte des Materials Kupfer für Hartgestein herangezogen [ 19 ]. Nach Ogden [ 20 ] hat eine Beimengung bereits von 1% Zinn zwar Auswirkungen auf die Schmelztemperatur und die Fließeigenschaften, aber: "Such low levels would have no noticeable effect on the final hardness or working properties of the metal...". Erst ab 4% Zinnanteil steigt der Härtegrat wahrnehmbar an [ 21 ]. Jedoch ergibt sich aus einer Mohshärte von 3 für Kupfer und 3,5 für Bronze, bzw. bis 3,75 für gehärtetes Kupfer ein sehr geringer - für den Effekt auf dem Stein sogar bedeutungsloser - Unterschied [ 22 ]. Für unser Kernbohrungsproblem ist diese Frage damit eigentlich ohne jeden Belang. Hätten die Ägypter eine Zinnbronze bewußt und aus Gründen der Härte hergestellt, dann müßte sich der Nachweise besonders in Werkzeugen und Waffen erbringen lassen, bei denen Härte Sinn macht. Aber das ist, wie ein Blick auf die Materialanalysen sofort offenbart, definitiv nicht der Fall [ 23 ]! Der Befund für Zinn ist vor dem Neuen Reich extrem schlecht, praktisch nicht vorhanden [ 24 ]. Ganz anders sieht es hier bei Arsen aus. Arsen ist im Befund nachgewiesen und sorgt nach einer speziellen Bearbeitung tatsächlich für härteres Kupfer [ 25 ]. In welchem Maße dies allerdings für diesen Fall angewendet wurde und ob das überhaupt notwendig war, bleibt nach Befund und Experiment (s.u.) trotzdem ganz offen. Prinzipiell lassen sich die üblichen Verunreinigungen des Kupfers durch die natürliche Beschaffenheit des Erzes erklären [ 26 ].

Bohrungen in einem Türrahmen aus Basalt im Pyramidentempel des Königs Sahure in Abusir.
Bohrungen in einem Türrahmen aus Rosengranit im Pyramidentempel des Königs Sahure in Abusir.

Eine andere Voraussetzung für den Bohrvorgang ist ein Schleifmittel, oft "Schmirgel" genannt. Dieser unglückliche Begriff wird allgemein viel weiter gefaßt als das in unserem Fall zutreffen sollte. Als "Schmirgel" bezeichnet man üblicherweise nur das korundhaltige Abrasiv-Material, das in der Antike auf Naxos abgebaut wurde (Mohshärte=9). Dieses ist in Ägypten weder belegt noch - wegen der Verwendung von Quarzsand - notwendig [ 27 ]. Hölscher erwähnt schon, daß Schweinfurt bei Assuan Schmirgelgruben fand - über deren Beschaffenheit wird nichts weiter mitgeteilt [ 28 ]. Sand als abrasives Material "aus Ägypten" erwähnt auch bereits Plinius [ 29 ]. Er stellt ausdrücklich klar - am Beispiel des Sägens -, daß die eigentliche Arbeit nicht - seiner Zeit entsprechend - durch das Eisen, sondern durch den "Sand" erledigt wird, den er explizit vom "Schmirgel (emery)" aus Naxos unterscheidet (Plinius XXXVI: 9-10.). Selbst in den 1930er Jahren griff man für Betonbohrungen noch auf die "Schrotkrone" der "Urvölker" zurück und gab der Bohrkrone Quarz- und Sandkörner bei [ 30 ]. So ist überhaupt die Verwendung abrasiver Techniken bei der Steinbearbeitung bis in diese Zeit üblich gewesen [ 31 ]. "Schmirgel" im Sinne von Korund von Naxos scheidet durch den Befund - sowohl was die Datierung des Abbaus auf Naxos als auch was die Werkstücke selbst betrifft - aus. Die erforderliche Menge an Schleifmaterial, das ja schließlich für jeden Bohr- und Sägevorgang sowie für jede Herstellung einer Statue bis zum Poliervorgang etc. verwendet wurde, wäre so immens gewesen, daß nur ein lokal in Ägypten vorhandenes Material dafür in Frage kommen kann [ 32 ]! Dabei begrenzen sich alle Möglichkeiten auf den Quarzsand, der überall in Ägypten vorhanden ist, nachweislich abgebaut wurde, der hart genug ist und der im Befund festgestellt werden kann [ 33 ]. Bekannt sind dabei besonders die Quarzgänge 3 km nördlich von Assuan, die im Altertum abgebaut wurden [ 34 ]. Das Vorkommen in Bohrlöchern und die ausreichenden, durch die scharfen Kanten praktisch idealen, abrasiven Eigenschaften des Quarzsands erübrigen jede weitere Diskussion.

Ein wesentliches Argument von Arnold möchte ich hier noch anfügen [ 35 ], nämlich die große Anzahl an Kernbohrungen, die in Ägypten gefunden wurden. Diese Menge macht die Verwendung von Diamanten, Korund, etc. praktisch unmöglich. Da es in Ägypten keine Diamanten gibt, hätte der ganze Bedarf importiert werden müssen. Aber welches Nachbarland hätte diese Menge liefern können? Und welches Land hätte dies von der Vorgeschichte hinweg bis mindestens ins Neue Reich gekonnt - ohne Unterbrechung (was ebenso für den Korund gilt)? Zumal Mesopotamien selbst Gefäßte aus Hartgestein auf diese Art und Weise hergestellt hat [ 36 ]. Außerdem ist man über die Handelswaren derart gut informiert, daß Diamanten in dieser Menge dort auftauchen müßten. Tatsächlich reicht die älteste Erwähnung von Diamanten überhaupt nicht über das 4. Jh. v.Chr. zurück. Platon weist auf die Härte, Theophrast auf die Kristallform der aus Indien stammenden Diamanten hin [ 37 ].

Anmerkungen

[ 1 ] Muhly, Metallurgy, S. 525.
[ 2 ] dazu sehr ausführlich Ogden, Metals, S. 149-161, bes. hier S. 151; Lucas & Harris, Ancient Egyptian Materials, S. 199-217.
[ 3 ] Muhly, op.cit., S. 522.
[ 4 ] Lucas&Harris, op.cit., S. 208f.
[ 5 ] Ogden, op.cit., S. 149.
[ 6 ] ibd.
[ 7 ] ibd., S. 156.
[ 8 ] es handelt sich um den ältesten Nachweis dieser Technik, ibd.
[ 9 ] Emery, Great Tombs I, S. 20-57.
[ 10 ] Borchardt, Sahure, S. 78, vgl. auch S. 29.
[ 11 ] ibd., S. 78.
[ 12 ] ibd.
[ 13 ] Ogden, op.cit., S. 159; Lucas & Harris, op.cit., S. 215f.; Stocks, Sticks and Stones, S. 25, s.u.
[ 14 ] Ogden, op.cit., S. 157; Emery, op.cit.
[ 15 ] Ogden, op.cit., S. 158.
[ 16 ] ibd., S. 159, Lucas & Harris, S. 216.
[ 17 ] Stocks, Stones Vessels, S. 749.
[ 18 ] vgl. Ogden, op.cit., S. 153f.; Klemm, Expeditionsinschriften, S. 247-249.
[ 19 ] Haase, Feld der Tränen, S. 195 m. Anm. 347.
[ 20 ] Ogden, op.cit., S. 154.
[ 21 ] Lucas&Harris, op.cit., S. 217.
[ 22 ] Solenhofen, s.o.
[ 23 ] Lucas&Harris, op.cit., S. 482-485.
[ 24 ] Ogden, op.cit., S. 171.
[ 25 ] Lucas&Harris, op.cit., S. 214.
[ 26 ] ibd., S. 216.
[ 27 ] ibd., S. 42f. und S. 73.
[ 28 ] Hölscher, Chephren, S. 78, Anm. 1.
[ 29 ] nach Lucas & Harris, op.cit., S. 72f.
[ 30 ] Gassmann, op.cit., S. 10.
[ 31 ] Neuburger, Technik im Altertum, S. 400-404.
[ 32 ] Lucas&Harris, op.cit., S. 73.
[ 33 ] ibd.
[ 34 ] Klemm&Klemm, Steine, S. 324.
[ 35 ] Arnold, Building, S. 265.
[ 36 ] dazu generell die Arbeiten von Stocks.
[ 37 ] Brunner, Lexikon I, S. 547.

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